Im Bauch des Berges

Tour in der Falkensteiner Höhle / Outdoor Award 2020 des Landes Baden-Württemberg

von Hansjörg Jung

Also los. Es hilft ja doch nichts. „Ihr werdet sowieso nass“, hat Joe, unser Führer gesagt. Ein paar Meter sind wir schon durch den lauf der Elsach gewatet, doch jetzt wird das Wasser tiefer. Also hinein. Es ist immer  wieder ein ganz besonderes Erlebnis, wenn das kalte Wasser durch den Kragen des Neoprenanzugs zwischen die Haut und der Isolationsschicht des Anzugs kriecht. Kalt ist es nur am Anfang.
Vor ein paar Minuten haben wir uns Parkplatz an der Landesstraße 211 im warmen Sonnenlicht noch umgezogen — festes Schuhwerk, Neoprenanzug, Helm und blaue Bergmannsüberhöschen, damit der Anzug am Hosenboden nicht leidet — und sind zur Falkensteiner Höhle hinaufmarschiert. Einer der wenigen Reichtümer, die die Alb zu bieten hat, sind ihre Höhlen. Das Kalkgestein ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Über die Jahrtausende hinweg ist das Wasser in den Untergrund gesichert, aus Ritzen wurden Klüfte und schließlich Höhlen und Hallen. Knapp 3000 Höhlen gibt es auf der Alb — trocken gefallen oder noch heute von Wasser durchströmt.
Doch die Falkensteiner Höhle ist die einzige Wasserhöhle Deutschlands, die sich für Führungen eignet. Dennoch, es ist eine wilde Höhle. Ohne Beleuchtung, Treppen, Geländer und Richtungsweiser. Trockenen Fußes kommt man in der Regel gut 100 Meter trief in die Höhle.

Der Berg ist tückisch

Weiter sollte der neugierige Spaziergänger auch nicht gehen, schon gar nicht ohne Schutzausrüstung und ortskundigem Führer. Denn der Berg ist tückisch. Bei starken Regenfällen kann die Elsach schnell anschwellen und Bereiche der Höhle schnell fluten — dann herrscht Lebensgefahr.
Deshalb hat die gemeinde Grabenstetten im Jahr 2018 verfügt, dass jeder, der die Höhle betreten möchte, sich eine Genehmigung besorgen muss — und die gibt es nicht ohne den Nachweis einer  Versicherung, für eventuelle Rettungskosten aufkommt. Einfacher ist es da schon bei einer geführten Tour — für Nicht-Profis ohnehin zu empfehlen. Dabei sind solchen Formalitäten schon von Beginn an genüge getan. Zwei dieser professionellen Tour-Anbieter sind Jochen „Joe“ Hintz und seine Partnerin Constanze „Conny“ Krauß. Beide zusammen sind die Firma sind Cojote-Outdoor, die neben Höhlen-Touren verschiedene Freizeitangebote im Programm hat. Doch vor allem für ihr Konzept zum maßvollen und nachhaltigen Höhlen-Tourismus wurden die mit dem Outdoor-Award 2020 des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Demutshaltung im Höhlengang

Noch bevor es richtig nass wird in der Höhle, heißt es im Demutsschluf sich den Umständen ergeben zu zeigen. Demut. In irgendeinem Indiana-Jones-Schinken, heißt es so ungefähr wie „Demütig sollst du deinem Herrn begegnen“ — sprich, gebeugt. Das ist auch im Demutsschluf nicht anders. Allerdings kommen hier keine Säbel aus dem Nichts gewirbelt, es macht einfach „Dong“, wenn das Haupt an die niedrige Decke stößt. Gott sei Dank, der Helm beugt Beulen vor.
Danach geht es bequemer weiter. Wie ein Vorhang rieselt kristallklares Wasser von der Höhlendecke. Es wird nasser. Mal kraxeln wir über Felsblöcke, dann waten wir  mal knie-, mal hüfthoch durch den klammartigen Gang, die sich immer wieder zu Höhlenräumen öffnet.
Wohl dem, der einen Neoprenanzug an hat. Ohne diesen ist das Abenteuer nicht zu empfehlen. Zwangsläufig fragt man sich, wie das die Menschen ausgehalten und überstanden haben, die sich in früheren Zeiten in die Höhle gewagt hatten — die Kelten beispielsweise, die die Höhle möglicherweise als Heiligtum nutzten oder die Goldsucher des 18. Jahrhunderts, die hier vergeblich Reichtümern nachjagten. Die müssen jämmerlich gefroren haben.
Aber gut eingepackt geht es immer tiefer in den Bauch des Berges, dessen Fels sich bis zu rund 100 Metern über uns auftürmt. Auch wenn die Falkensteiner als verlorene Höhle gilt, in der in der Vergangenheit viel zerstört wurde, haben doch einige Tropfsteine den Vandalismus mancher Besucher überdauert. Und das Licht der Stirnlampen verleiht der Höhlenwelt mit ihren Tümpeln und Ablagerungen bisweilen einen besonderen Zauber. Der Weg selbst ist für Besucher mit einigermaßen guter Konstitution problemlos zu bewältigen. Schwerer kann man es sich natürlich immer machen und durch enge Spalte und Durchlässe kriechen. Und wenn die Leibesfülle den Durchschlupf nicht zulässt, bleibt immer noch der Normalweg.

Die Schlüsselstelle

Nach rund 400 Metern kommt die Schlüsselstelle. Für alle. Ob dick , ob dünn. Der erste Siphon. Hier endet die Einsteigertour von Coyote Outdoor. Wir aber gehen, besser, wir tauchen weiter. Denn der Siphon ist ein niederer Durchgang, der bei unserer Tour nahezu vollständig unter Wasser steht.  Ein Seil, das unter Wasser gespannt ist, hilft, den Tauchgang von rund vier Metern zu bewältigen. Also Luft anhalten, Augen auf und durch. Einer nach dem anderen. Wenig später erreichen wir die Reutlinger Halle. Der Umkehrpunkt unserer Tour, bei der wir am Ende knapp vier Stunden in der Höhle waren. Was bleibt, ist die Erfahrung absoluter Ruhe und Finsternis, das Staunen über die Kraft der Natur und das Ziel, wieder zu kommen. Denn: Hinter der Reutlinger Halle geht’s weiter.

Infos

Outdoor Award

Anfang  2020 wurden Cojote Outdoor und die Tourismusgemeinschaft Mythos Schwäbische Alb für ihre Touren in der Falkensteiner Höhle mit dem Jury- Preis des Outdoor Awards Baden-Württemberg ausgezeichnet. „ Dort gelingt es dem Veranstalter, ein faszinierendes Höhlensystem behutsam für interessierte Gäste zu erschließen. Bei den geführten Touren für Kleingruppen, die in Neoprenanzügen die wasserführende Höhle erkunden, würden Abenteuerlust und Sicherheit auf vorbildliche Weise verbunden“, heißt es in der Begründung der Juroren.
Auch wenn die Auszeichnung den beiden viel Aufmerksamkeit geweckt hat, so unterstreichen Constanze Krauß und Jochen Hintz, bestimme Nachhaltigkeit statt Massentourismus die Firmenphilosophie. Darin heißt es:  „Oberstes Prinzip für die Durchführung unserer Events ist die Nachhaltigkeit unserer Arbeit. Wir wollen möglichst nur unsere eigenen Fußabdrücke in der Natur zurücklassen. Die nächsten Generationen sollen auch noch etwas davon haben. Auch wehren wir uns gegen eine Massenabfertigung aus kommerziellen Gründen, so etwas hat in einer relativ unberührten Natur nichts verloren.“

www.mythos-schwaebische-alb.de

www.cojote-outdoor.de