Eindrucksvolle Zeitreise

Faszinierende Dolomiten-Klettersteige auf den Spuren des Gebirgskriegs

von Saskia Schüttke

Die Klettersteige in den Dolomiten sind nicht selten eindrucksvolle Reisen in die Vergangenheit. Auf dem Weg durch die tiefen Scharten, schmalen Bänder, schroffen Felsen und hinauf auf die Berggipfel sind die Spuren des ersten Weltkriegs häufig nicht zu übersehen. Oft sind die alten Wege der Soldaten gar die Ursprünge für die spektakulären Eisenwege, die nun abenteuerlustige Bergsportler locken. Helm und Stirnlampe sollte man jedenfalls immer im Gepäck haben.
Eine sportlich herausragende Tour, die den Klettersteiggeher fortlaufend mit dem gefährlichen Alltag der Soldaten Italiens und Österreich-Ungarns an der Frontlinie konfrontiert, ist die Via Ferrata Cesco Tomaselli. Der Eisenweg ist einer der schwierigeren in den Dolomiten und mit herausfordernden Vertikalpassagen und vielen stark ausgesetzten Metern am Fels Anfängern nicht zu empfehlen. Er gilt als einer der großen Klassiker unter den Dolomiten-Klettersteigen und führt auf die südliche Fanesspitze, die von den typisch schroffen Dolomitentürmen umgeben ist. Doch allein der Weg dorthin ist mühsam. Gleich am Einstieg gibt ein erstes Weltkriegsrelikt Anlass zum Nachdenken. Kaum angesichert, kommt eine marode Holzleiter in Sicht, die eher wackelig am Fels, hoch über dem Boden, befestigt ist. Glücklicherweise ist diese Leiter nicht Teil des Klettersteigs, es wird aber mehr als deutlich, welche Risiken die Soldaten auf ihren Wegen durch die schroffen Berge eingehen mussten. Auf dem unglaublich steilen Anstieg finden sich viele herausfordernde Einzelstellen und wenige Möglichkeiten zum Pausieren. Nur an ausgewählten Stellen sind Klammern oder Trittstifte angebracht, das Erlebnis am Fels steht im Mittelpunkt. Ablenken würde nur die grandiose Kulisse, doch allzu häufig verdeckt dichter Nebel die Berggipfel der Umgebung und so liegt die volle Konzentration auf den nächsten Zügen.

Abstieg am Seil

Oben angekommen ist die Ferrata allerdings noch lange nicht geschafft. Es folgt der Abstieg am Drahtseil, immerhin noch in der Schwierigkeit C über die Nordseite zur Forcella dei Quaire. Gerade bei Nebel kein Spaß, steigt man doch geradewegs hinein ins graue Nichts. Weiter geht es nun auf Wanderwegen vorbei an Schützengräben und Bunkern. Sie sind steinerne Erinnerungen an den gnadenlosen Stellungskrieg zwischen Österreichern und Italienern, der vor über hundert Jahren in den Dolomiten tobte. Sogar Bergteile wurden dabei von den sogenannten Alpini auf der einen und Kaiserjägern auf der anderen Seite in die Luft gesprengt. Das ehemalige Frontgebiet am Kleinen Lagazuoi ist mittlerweile ein großes Freilichtmuseum. Wanderwege führen zu restaurierten Stollen, Lauf- und Schützengräben und Artillerie-Stellungen.

Im Lagazuoi-Tunnel

Nach einer nahrhaften Einkehr in der Lagazuoi Hütte, dank der gleichnamigen Seilbahn gemeinsam mit den Touristenmassen, geht es zum letzten Teil des Abstiegs in den instand gesetzten Lagazuoi-Tunnel. Er führt im Berg dreihundert Höhenmeter tiefer und ist durchweg mit einem Drahtseil versehen. Von Mai 1915 bis Oktober 1917 war der Kleine Lagazuoi eine wichtige Stellung, die den Zugang zum Falzarego-Pass versperrte. Entsprechend umkämpft war der Berg und wurde von beiden Armeen mit Höhlen, Minenstollen, Tunneln und Artillerie-Stellungen regelrecht durchlöchert. Das Tunnel-System, das bergab führt, ist fast einen Kilometer lang, in den vielen Abzweigungen kann man sich regelrecht verirren.

Gipfelüberschreitung

Technisch einfacher aber ebenso spektakulär ergeben zwei Klettersteige am Paternkofel eine großartige Gipfelüberschreitung auf einem Kriegssteig. Der Zustieg zu Via Ferrata de Luca Innerkofler und Schartenweg verläuft im Schatten der berühmten drei Zinnen. Von unten wenig spektakulär, wächst die Begeisterung mit zunehmendem Abstand. Im Zustieg biegt man kurz vor der Drei-Zinnen-Hütte nach Südosten ab und nimmt Kurs auf einen „Frankfurter Würstl“ genannten, spitz aufragenden Felsturm. Hinein in das Klettersteigset und Helm und Stirnlampe auf den Kopf, denn nun beginnt die „Galleria Paterna“.
Durch das Innere des Berges geht es niedrig und stockdunkel mühsam voran. Oben angekommen folgen einige Klettersteigstellen, die insgesamt nur bis zum Schwierigkeitsgrad B/C reichen und auch von bergaffinen Klettersteiganfängern zu meistern sind. Der Gipfel des Paternkofels bietet dann einen atemberaubenden Ausblick. Geradezu klein erscheinen die gewaltigen Nordwände der Drei Zinnen zwischen den vielen Berggipfeln der Umgebung. Mit dem Schartenweg kann die Tour zu einer herausfordernden Rundtour ausgedehnt werden.
Sportlich geht es auch am Arzalpenturm zu. Der relativ neue Klettersteig führt bis auf den Panoramagipfel des Arzalpenkopfs und bietet eine tolle Aussicht auf die Sextener Dolomiten. Wer es ausgesetzt mag, legt eine Extrarunde auf den Arzalpenturm ein. Auch hier findet sich auf dem Abstieg ein alter Kriegstunnel. Schützengräben und Stollen sind auf dem Gipfel zahlreich zu entdecken.
Die Eisenwege in den Dolomiten sind mehr als sportliche Abenteuer. Wer hier auf den Spuren des Ersten Weltkriegs wandelt, erlebt eine einprägsame Geschichtsstunde – und kommt mit Sicherheit wieder.

Infos

Die Klettersteige

Via Ferrata Cesco Tomaselli

Start: Falzarego Pass
Berg: Südliche Fanespitze (2980 m)
Schwierigkeit: D sehr schwierig
Länge: 400 Höhenmeter im Klettersteig, insgesamt 400 Höhenmeter
2:00h Zustieg, 1:30h Abstieg

Via Ferrata De Luca Innerkofler und Schartenweg - Klettersteige Paternkofel

Start: Rifugio Auronzo
Berg: Paternkofel  (2744 m)
Schwierigkeit: B/C mäßig schwierig/schwierig
Länge: 300 Höhenmeter im Klettersteig, insgesamt 800 Höhenmeter
1:15h Zustieg, 1:30h Abstieg

Arzalpenturm Klettersteig

Start: Kreuzbergpass
Berg: Arzalpenkopf  (2371 m)
Schwierigkeit: C schwierig, Variante C/D
Länge: 350 Höhenmeter im Klettersteig, insgesamt 840Höhenmeter
1:00h Zustieg, 1:30h Abstieg

Zur Geschichte:

Der Gebirgskrieg zwischen Österreich-Ungarn und Italien tobte im Ersten Weltkrieg zwischen 1915 und 1917 und verlief vom Stilfser Joch an der Schweizer Grenze über den Ortler und den Adamello zum nördlichen Gardasee, östlich der Etsch dann über den Pasubio, weiter auf die Sieben Gemeinden, den Karnischen Kamm und die Julischen Alpen bis Gradisca. Die Soldaten auf beiden Seiten litten unter dein eisigen Temperaturen von bis zu minus 30 Grad im Winter. Außerdem kam Unzählige durch Eis, Lawinen oder Steinschlag zu Tode, bis zu ein Drittel der Opfer. Mit Handbohrmaschinen und Meißeln wurden Bergstollen gegraben und die Berggipfel unterminiert, um sie wenig später in die Luft zu sprengen.

 

Mehr zu diesen und weiteren Klettersteigen zum Beispiel unter www.via-ferrata.de

Kletterkurse gibt es unter anderem bei der Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins: www.alpenverein-schwaben.de