Im Rausch

Verbier – Grenzenlose Freeride-Möglichkeiten am Fuß des Grand Combin.

von Steffen Müller

Das erste Grinsen stellt sich spätestens auf der A12 ein, kurz vor Montreux, wenn sich über dem Genfer See die schneebedeckte Gipfelprominenz der Westalpen erhebt. Doch es wird noch besser – viel besser. Ein paar Kehren, ein paar Höhenmeter weiter und man steht an der Talstation Médran in Verbier. Was danach kommt, erfüllt alles, was man sich zuvor von einem der Freeride-Hotspots der Alpen versprochen hat.

Von wegen Slush
Es ist Ende April, spät im Jahr. Alle Zeichen stehen auf Slush.... schwer und nass. Auf gut 1500 Meter ist es schon ordentlich warm, es riecht nach Frühling, doch es gibt eine Menge Spielraum nach oben – über 1800 Meter um genau zu sein. Am Mont Fort bringt einen die Seilbahn auf satte 3329 Meter hinauf. Nancy Pellissier weiß, wo es auch zum Ende der Saison noch perfekte Hänge und perfekten Schnee gibt – von wegen Slush. Das Heimatrevier der 28-Jährigen am Fuße des Grand Combin macht den Eindruck, als würden die Gondeln nicht die Pisten, sondern die Varianten dazwischen erschließen. „Langweilig wird einem hier grantiert nie“, sagt Pellissier, die in Bagnes geboren wurde, in der Region aufgewachsen ist und inzwischen als Mediamanagerin International bei Wallis Promotion arbeitet.

Eine Nummer zu groß
Der berühmteste Hang von Verbier ist allerdings selbst für gute Skifahrer eine Nummer zu groß. Am Bec des Rosses messen sich Jahr für Jahr die besten Freerider der Welt beim Verbier Xtreme. Für die meisten anderen ist die Flanke eine abweisende Felswand, die ganz sicher nicht zu Experimenten auf Ski einlädt. Muss sie auch nicht.
Am Mont Fort, am Mont Gelé oder am Col des Gentianes warten Varianten, die nicht nur für pure Begeisterung sorgen, sondern auch die trainiertesten Oberschenkel an ihre Grenzen bringen. „Allein am Mont-Gelé gibt es unglaublich viele Möglichkeiten, steil, abwechslungsreich und meistens mit perfekten Schneeverhältnissen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen an diesem traumhaften Tag im April. Von jeder Gipfelstation gibt es unzählige Möglichkeiten und irgendwo gibt es immer noch eine unberührte Line. Die Höhenunterschiede sind enorm, entsprechend ist Kondition gefragt. Gerade bei wechselnden Bedingungen ist hier Power gefragt. Wo man anderorts vier Schwünge im Gelände macht, um dann wieder einen Kilometer über die Piste zu carven, pflügt man in Verbier kilometerweit durch – je nach aktuellen Bedingungen - Powder, Harsch- und Nasschnee, ehe man wieder auf einer präparierten Abfahrt landet.      

Eine Menge Raum zum Powdern
Wo anderernorts der halbe Berg planiert ist, lässt man allen, die das usprüngliche Gefühl des Skifahrens bevorzugen, hier eine Menge Raum. Die Pisten wirken an den mächtigen Hängen wie Randerscheinungen. Damit an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen. Auch für die, die lieber mit Racecarvern unterwegs sind, lässt das Gebiet der Quatre Vallées, das größte der Schweiz, keinerlei Wünsche offen. Es ist genug Platz für alle da - und es gibt für jeden die passende Spielwiese.

Leben und leben lassen
Leben und leben lassen. Dieses Flair der französischen Schweiz versprüht der ganze Ort. In Verbier tummeln sich Ski-Verrückte, ambitionierte Alpinisten und ganz normale Familien einerseits, andererseits ist der Hoch- und der Geldadel in dem Ort im Wallis zahlreich vertreten. Allerdings: „In Verbier geht es ganz entspannt zu. Man kann die einen von den anderen nicht unterscheiden. Es geht nicht ums Gesehen werden, sondern um die Berge, die Natur und den Sport“, sagt Pierre-André Gremaud, Direktor von Verbier Promotion.
Wer nach dem westalpinen Ski-Rausch wieder an der Talstation abschwingt, seine breiten Latten über die Schulter wirft und sich mit müden Oberschenkeln und einem breiten Grinsen die Rue de Médran hinabschleppt, der wird an einem sonnigen Nachmittag sicher nicht an der Terrasse des Café Fer a Cheval vorbeikommen. Bei einem Dezi Fendant, ein paar Chips, Oliven und mit Aussicht auf die beeindruckenden Gipfel, lässt sich wunderbar von den nächsten Abenteuern in Verbier träumen – zum Beispiel einer Skitour auf die Rosablanche