Am Berg der Berge

Zermatt: Mountainbiker haben am Matterhorn auch ihren Spaß

von Steffen Müller

Auch wenn man sich die Straßen und Gassen in Zermatt mit Tausenden Touristen aus aller Welt teilt, der Grat zwischen Kitsch und Brauchtum an manchen Stellen sehr schmal ist und es zweifellos günstigere Möglichkeiten gibt, ein paar Tage in den Alpen zu verbringen – der Ort am Fuß des Matterhorns versprüht ein ganz besonderes Flair. Ein Hauch von Triumphen und Dramen, die sich auf diesem Gipfel abgespielt haben, von Helden wie Erstbesteiger Edward Whymper und Katastrophen, von Abenteuer, Mut und Pioniergeist weht nach wie vor durch die Gassen.

Flip-Flop trifft Rennski

Hier trifft man alles. Ganze Busladungen mit Touristen aus Europa und aus Übersee, ambitionierte Bergsteiger, Wanderer und Skifahrer. Neben dem übergewichtigen Amerikaner in Flip-Flops und kurzer Hose stapft eine Gruppe junger Schweizer mit Rennanzügen und Racecarvern über der Schulter durch die Fußgängerzone – mitten im August. Skifahren kann man hier nämlich das ganze Jahr über.
Kein Wunder.
In Zermatt befindet sich das höchste Skigebiet der Alpen. Bis auf 3820 Meter, fast bis auf den Gipfel des Kleinen Matterhorns, reichen die Pisten. Zermatt und seine atemberaubende Bergwelt sind aber nicht nur für Bergsteiger, Wanderer, Skifahrer und Europareisende aus Übersee einen Besuch wert, sondern auch für Mountainbiker.

Mit Kate Moos ins Tal

Das Tolle dabei: wenn man sich nur ein paar Hundert Meter von den Seilbahnstationen entfernt, hat man die grandiose Bergwelt fast für sich allein.
Wer die Seilbahn über Furi zum Schwarzsee nimmt und sich von oben auf der offiziellen Strecke von der Station Schwarzsee in Richtung Zermatt bewegt, kann zum Einrollen sogar den Nachwuchs mitnehmen. Die fahrtechnisch unspektakuläre, landschaftlich aber traumhafte Abfahrt über Furi – hier hauptsächlich auf Schotter und Asphalt – sowie ab Furi über den anfängertauglichen, aber mit seinen Anlegern durchaus unterhaltsamen Trail mit dem schönen Namen Kate Moos, ist ideal zum Bremsen-Warmfahren.
Wichtiger als außergewöhnliche Fahrkünste sind hier die gute Reisekamera und ausreichend Zeit für ausgedehnte Pausen am Wegesrand, um die Blicke auf den Hörnligrat samt Matterhorn auskosten zu können.
Man kann es in dieser Ecke aber auch deutlich anspruchsvoller haben. Zum Beispiel, wenn man selbst in Richtung Schwarzsee hochkurbelt, das Matterhorn immer im Blick. „Der beste Trail führt über den Grat nach Hermetje. Eine lohnenswerte Variante ist die Abfahrt auf der Skipiste, bis links der Singletrail nach Furi abzweigt. Dieser ist allerdings anspruchsvoll und stellenweise herrscht Absturzgefahr. Er ist nur sehr guten Mountainbikern zu empfehlen“, heißt es im Schweizer Tourenportal ride.ch – dem ist nichts hinzuzufügen. Wer sich hier nicht ganz sicher ist, der folgt der weniger spektakulären Strecke gemäß der Ausschilderung und konzentriert sich tags darauf auf die 4-Seen-Tour. Die macht richtig Spaß und ist für jeden Durchschnitts-Mountainbiker machbar. Rauf geht es zunächst mit den Bahnen über die Station Sunnegga bis zum Blauherd auf 2571 Meter.
Hier beginnen gut 20 Kilometer Bikespaß. Technisch ist die Strecke überwiegend einfach, der 2018 neu angelegte Sunnegga-Trail zum Schluss ist eine wunderbare Murmelbahn. Oben lebt die Strecke von der unglaublichen Aussicht aufs Matterhorn und die Zermatter Bergwelt. Der Weg führt teils über breitere Wege, teils über flowige Trails.

Ein kühles Bad auf 2300 Meter Höhe

Der erste der 4 Seen, die der Tour ihren Namen geben, ist der Stellisee auf gut 2500 Meter Höhe. Über diesen gelangt man zur traumhaft gelegenen Fluhalp auf rund 2600 Meter. Auch wenn man bis hierher nur knapp 100 Höhenmeter und 2 Kilometer Strecke hinter sich hat, sollte man ernsthaft über eine kurze Rast nachdenken – zumindest an ruhigeren Tagen.  Zunächst wieder vorbei am Stellisee zweigt die Strecke nun zum kleinen Grinjisee ab. Von hier geht es praktisch ohne Höhenverlust weiter zum Grünsee, der an warmen Tagen sogar zum Baden geeignet ist – auf 2300 Meter Höhe ein kaltes, aber äußerst exklusives Vergnügen. Immerhin kann man seine Franken hier ausnahmsweise stecken lassen.
So erfrischt geht es zunächst in einer Schleife zurück bis zum Abzweig nach Gant.
Jetzt folgt zunächst ein netter Trail und dann eine steile Schotterrampe zu den Seilbahnstationen. Ab hier wartet ein landschaftlich traumhaft schönes Stück vorbei am Mosjisee – also See Nummer 4 – immer den Hang entlang in Richtung des Weilers Findeln. Das auf einem sonnigen Plateau gelegene Örtchen ist definitiv einen Abstecher wert, ehe man aussichtsreich und immer leicht bergauf zur Station Sunnegga radelt. Wenn die Sonne vom wolkenlosen Himmel knallt, sehnt man sich hier zurück nach dem eiskalten Grünsee – oder einer kühlen Waldabfahrt.
Die kommt wie bestellt auf dem neuen Sunnegga-Flowtrail. Ganz entspannt geht es 6 Kilometer und 500 Höhenmeter berg­ab. Mit Anlegern und Wellen, durch den Wald, über aussichtsreiche Lichtungen bis runter nach Zermatt. Hier taucht man aus der wunderbaren Bergwelt wieder in den Trubel der Touristen aus aller Welt ein und überlegt sich prompt, ob man nicht besser gleich wieder in die Stollenbahn in Richtung Sunnegga steigt.  Andererseits ist das Gewusel von einem geschützten Plätzchen im Café aus durchaus auch unterhaltsam.

Ein cooler Trail ersetzt den Zug

Zermatt ist übrigens autofrei. Der Individualverkehr parkt deshalb in einem der zahlreichen Parkhäuser in Täsch und fährt mit dem Zug in den Ort am Fuß des Matterhorns oder man mietet sich direkt in Täsch in einem Hotel oder aber auf dem Campingplatz ein. Der dürfte die günstigste Möglichkeit sein, ein paar Tage hier zu verbringen – und es gibt noch einen anderen Vorteil. Wer von Täsch nach Zermatt radelt, ist nicht nur warm, wenn es ins Hochgebirge geht, sondern kann sich auf der Hin- und Rückfahrt über ein paar richtig spaßige Trailabschnitte auf der ebenfalls kürzlich angelegten Strecke zwischen den beiden Orten freuen.
Entlang der Bahnstrecke geht es äußerst abwechslungsreich dahin, kurze Stiche, Kuppen und immer wieder überraschende Blicke auf die Bergwelt oder die Zentrale der berühmten Air Zermatt lassen garantiert keine Langeweile aufkommen.
Wer größere Herausforderungen auf dem Bike sucht, der wird zum Beispiel am Gornergrat oder am Rothorn fündig.  
Ein besonderes Erlebnis ist der „Sunset Bike Ride“ am Gornergrat. Den gibt es von Mitte Juni bis Mitte Oktober. Startzeiten mit der Gornergratbahn sind um 17.24 Uhr, 18.24 Uhr und vom 27. Juni bis 22. September auch um 19.24 Uhr.  Nach der 30-minütigen Bergfahrt wartet ein herrlicher Downhill in den Sonnenuntergang. Von hier hat man zahlreiche Möglichkeiten Richtung Tal zu fahren. Die anspruchsvollste ist der ­Kelle-Trail, der über Geröll und enge Kehren im ausgesetzten Gelände abwärts führt.
Fazit: Zermatt hat auch für Mountainbiker eine Menge zu bieten. Ein großer Vorteil: Mit Seilbahn und MTB ist man dem Bustouristenrummel schnell entkommen und kann die Walliser Bergwelt in vollen Zügen genießen.