Marmolada-Traumblick im Murmeltier-Paradies

Rund um die Rotwand im Rosengarten gibt es viel zu erleben

von Tim Schweiker

„Ihr seid fit, mit Euch geh’ ich über den Pass.“ Stefan Gallmetzer, 78, ist sich seiner Sache sicher. Erfahrung genug hat er. Seit Jahrzehnten führt der Seniorchef des Hotels Peter in Petersberg seine wanderfreudigen Gäste zu den Schönheiten des Südtiroler Eggentals. Eine solche Schönheit will er uns heute zeigen: den Vajolon-Pass im Rosengarten.

Mit dem Paolina-Sessellift schweben wir von der Karersee-Siedlung aus gemütlich hinauf auf 2125 Meter. Auf der Paolina-Hütte, gleich neben der Bergstation, gibt es einen Espresso. Doch dann wird marschiert.

Zuerst geht es auf gleicher Höhe auf dem Hirzel-Weg Richtung Kölner Hütte. Die mächtige, 500 Meter überhängend aufragende Südost-Flanke der 2806 Meter hohen Rotwand haben wir immer im Blick. Links von ihr liegt unser Zwischenziel, der 2560 Meter hoch gelegene Vajolon-Pass.

Über Wiesen, später durch Geröll, gehen wir jetzt in Serpentinen nach oben. Wir hören Murmeltiere pfeifen. Kurz darauf zeigen sie sich in sicherer Entfernung. „Wir sehen später noch mehr“, sagt Stefan Gallmetzer und lässt uns Zeit für den Blick auf das gegenüber liegende Latemar-Massiv.

Die dahinter liegende Lagorai-Kette kam im Ersten Weltkrieg als Frontlinie zwischen Österreich und Italien zu trauriger Berühmtheit. Stefan Gallmetzer erzählt: „Auch mein Vater musste dort kämpfen. Dabei waren das auf der anderen Seite doch Nachbarn, Freunde, Brüder. Ein Wahnsinn.“

Nachdenklich steigen wir weiter, über erste Felsbrocken hinweg bis zur „Schlüsselstelle“ unserer Wanderung: Ein paar mächtige Dolomitblöcke werden mit Hilfe von Drahtseilen und einer Eisenleiter überwunden. Bei schönem Wetter ein Genuss. Bei Schlechtwetter kann es hier auch gefährlich werden.

Was ein Starkregen anrichten kann, erfahren wir ein paar Meter weiter: Vom Weg ist nicht viel zu sehen, es hat ihn offenbar beim letzten Unwetter ausgewaschen. Verlaufen kann man sich in der immer schmaler werdenden Rinne freilich nicht. An ein paar Schneeresten vorbei geht es die letzten steilen Schritte hoch zur Passhöhe.

Wir stärken uns mit ein paar Bissen vom Rucksack-Vesper, für das sich auch gleich die Dohlen interessieren. Vor allem aber werden wir mit traumhaften Ausblicken auf den Latemar und vor allem auf den höchsten Dolomitengipfel belohnt: Über das Fassatal hinweg öffnet sich der Blick auf die mächtige Marmolada.

Klettersteig-Fans können vom Sattel aus weiter zum Rotwand-Gipfel steigen. Uns soll für heute der Vajolon-Pass genügen, mit dem wir die Sprach- und Provinzgrenze zwischen Südtirol und dem Trentino überschreiten.

Eine gute Stunde brauchen wir jetzt noch, um über das Kar am Fuß der Coronelle und dann durch eine steile Rinne zur Rotwandhütte abzusteigen. Unser Einkehr-Ziel ist aber der direkt daneben liegende, gemütliche Rifugio Pederiva. Hier gibt es feine Trientiner und Südtiroler Hausmannskost. „Und hinterher auch ein Schnapsl“, sagt Stefan Gallmetzer augenzwinkernd.

Von der gemütlichen Terrasse aus schaut man hinein ins Valle delle Marmotte, ins Tal der Murmeltiere. Es hat seinen Namen nicht von ungefähr: Mehrere Jungtiere balgen sich nur 150 Meter von der Hütte entfernt, einige ältere Exemplare marschieren gemütlich über die Wiese.

Schweren Herzens müssen wir uns irgendwann losreißen. Wir müssen ja noch zurück zur Paolina-Hütte: vorbei an regelrechten Feldern mit dunkelblau blühendem Enzian und vorbei am Bronzeadler des Christomannos-Denkmals, das an den Erbauer der Großen Dolomitenstraße nach Cortina erinnert. Der Latemar beginnt schon im Abendlicht zu leuchten als unsere wunderbare Rosengarten-Runde nach rund vier Stunden Gehzeit zu Ende ist.

Viele weitere Tourenvorschläge in den Eggentaler Bergen, im Latemar und im Rosengarten findet man im Rother-Wanderführer „Dolomiten 2“.

Infos

Es lohnt sich aus vielen Gründen, am Eggental, das nahe Bozen (A 22, Ausfahrt Bozen-Nord) in den Südtiroler Bergen liegt, nicht einfach vorbei zu fahren. Seine sieben Dörfer liegen mitten im Unesco-Welterbe Dolomiten und die Menschen pflegen einer charmante Mischung aus italienischer Lebensart und alpinem Flair. Im Angesicht von Rosengarten, Latemar und Schlern lassen 530 Kilometer Wanderwege, acht Klettersteige, viele Mountainbike-Routen und zwei Golfplätze keine Wünsche offen. Alle Gemeinden des Eggentals haben sich der Nachhaltigkeit verschrieben, der Strom für die Lifte kommt von erneuerbaren Energieträgern. In Deutschnofen, Eggen, Obereggen, Petersberg, Welschnofen, Carezza und Steinegg leben 9100 Einwohner. Die 6400 Gästebetten verteilen sich auf 14 Vier-Sterne-Hotels (Tipp: das familiäre  www.hotel-peter.it in Petersberg) und zahlreiche weitere Unterkünfte für unterschiedliche Ansprüche. Mehr unter www.eggental.com