Auf zauberhaften Wegen durchs Eggental

Südtirol: Die reizvolle Sonnenterrasse zwischen Rosengarten und Latemar

von Tim Schweiker

Er gehört zu den meist fotografierten Motiven in ganz Südtirol: der Karersee. An sonnigen Wochenenden, in der Hochsaison zumal, drängen sich Tausende auf dem schmalen Rundweg, der an seinen Ufern entlang führt. Rennradler, Motorradgruppen, Reisebusse – alle haben sie bei ihrer Fahrt über die Dolomitenstraße den Karersee im Sinn.

Jetzt, im Frühsommer haben wir den See zwar nicht für uns allein, doch zumindest müssen wir ihn nicht mit Menschenmassen teilen. Und wir verstehen, warum der Karersee zum Südtiroler Pflichtprogramm gehört. Je nach Perspektive und Lichtverhältnissen spiegeln sich im türkisblauen bis dunkelgrünen Wasser die mächtigen Wände von Rosengarten und Latemar.

„Lec de ergobando“, Regenbogensee, heißt der Karersee in der ladinischen Sprache. Denn der Legende nach verdankt der See sein überirdisch wirkendes Farbenspiel einem liebeskranken Hexenmeister. Für eine schöne Nixe hatte er einen Regenbogen an den Himmel gezaubert. Doch die Nixe verschwand im Wasser und vor lauter Wut warf ihr der Zauberer seinen Regenbogen hinterher.

Auf eine Sage geht auch der Name des Rosengartens zurück. Laurin, der Zwergenkönig, lebte in einem Rosengarten unterhalb des Gebirges und entführte aus Liebe die schöne Similde. Mit Wundergürtel und Tarnkappe versuchte er sich gegen die Ritter zu wehren, die Similde befreien wollten. Doch das Versteckspiel ging schief: Die Ritter entdeckten Laurin an den Bewegungen der Rosen. Laurin belegte den Rosengarten mit einem Fluch: Weder bei Tag noch bei Nacht sollte je ein Mensch mehr den Rosengarten erblicken können. Doch Laurin vergaß die Dämmerung. Und in der erstrahlt der Rosengarten noch heute.

Wer dem Rosengarten nicht nur mittels zauberhafter Geschichten näher kommen will, dem sei Herbert Pichler empfohlen. Der gebürtige Deutschnofener war 25 Jahre lang Geschäftsführer des Tourismusverbands. Mehrmals in der Woche bietet der 72-Jährige geführte Wanderungen an und zeigt dort mit Begeisterung, warum er nie einen Gedanken daran verschwendet hat, seine Heimat einmal für längere Zeit zu verlassen: „Schaut’s euch doch um hier. Was will man denn noch mehr?“

Wir gehen mit Herbert Pichler von der Bergstation des am Karerpass beginnenden Paolina-Sessellifts in Richtung Südseite des Rosengartens. Auf dem Weg zum traumhaft vor der Mugoni- und Zigolade- Spitze auf 2273 Meter gelegenen Rifugio Pederiva (den frischen Joghurt mit Waldbeeren probieren!) klettern die Kinder erst einmal den Felsen hinauf zum mehr als drei Meter hohen, kühn über dem Fassatal stehenden Bronzeadler. Der erinnert an den Tourismuspionier Theodor Christomannos, dessen Lebenswerk der Ausbau der Dolomitenstraße von Welschnofen im Eggental bis nach Cortina war.

Sonne, Schnee und Murmel

Ein paar Meter weiter weitet sich schon der Blick auf die verschneite Marmolada und auf den mächtigen Sellastock. Zurück unter der Westseite des Rosengartens laufen wir jetzt auf dem berühmten Hirzl-Steig nach Norden Richtung Rosengarten-Hütte. Direkt unter der 600 Meter abfallenden, überhängenden Rotwand führt der Weg im Frühsommer noch über etliche Schnee- felder. Für den steilen Stich hinauf zur Hütte werden wir mit der Sicht auf Latemar und Zangger, auf das markante Pärchen Weiß- und Schwarzhorn, auf den Ritten, in die Brenta, die Ortlergruppe und bis weit in die Zentralalpen hinein belohnt. „Nicht so schlecht, oder?“, fragt Herbert und grinst uns an. Eggentaler Understatement.

Nicht minder beeindruckend ist das wild zerklüftete Latemar-Massiv. Wer vor Ende Juni direkt unter den Dolomitflanken wandern will, nimmt statt des Oberholz-Sessellifts in Obereggen mit dem Auto den Fahrweg bis zur Mayerl Alm (feine Speckknödel!), die auf 2037 Metern Höhe liegt.

Von dort bietet sich beispielsweise eine aussichtsreiche Wanderung zum Feudo-Pass an. Unterwegs dorthin hören wir immer wieder Murmeltiere pfeifen. Und plötzlich ist eines von ihnen da: Auf einem der mächtigen Felsblöcke, die den stetigen Zerfall des Dolomits dokumentieren, hält es seine Nase in die Sonne. Typisch Eggental.


Infos

Eggental: Im Angesicht von Rosengarten, Latemar und Schlernmassiv lassen 530 Kilometer Wanderwege, acht Klettersteige, viele Mountainbike-Routen und zwei Golfplätze keine Wünsche offen. Alle Gemeinden des Eggentals gehören zur Vereinigung der „Alpine Pearls“ und haben sich der Nachhaltigkeit verschrieben. Ein Beispiel: Urlauber fahren mit der Mobilcard kostenlos mit den regionalen Bussen und mit der Bahn bis Trient. In Deutschnofen, Eggen, Obereggen, Petersberg, Welschnofen, Carezza/Karersee und Steinegg leben zusammen 9100 Einwohner. Die 6400 Gästebetten verteilen sich auf 14 Vier-Sterne-Hotels und viele weitere Unterkünfte für alle Ansprüche.

Anreise: Über die Brennerautobahn A22 bis Ausfahrt Bozen Nord. Dann rechts Richtung Bozen und im nächsten Kreisverkehr Richtung Eggental/Karer Pass.

Buchtipp: Rother Wanderführer „Dolomiten 2 – Eggentaler Berge, Latemar, Rosengarten“ von Franz Hauleitner. Der Führer stellt 50 Wandertouren in der Region in allen Schwierigkeitsgraden vor. ISBN 978-3-7633-4059-0.

www.eggental.com