„Das hat was von einem Selbstmord-Kommando“

Interview mit Freeride-Pionier Ernst Garhammer

von Steffen Müller

Ernst Garhammer war mit seiner Schwester und seinen Brüdern einer der Pioniere der Free­style-Bewegung und heimste etliche internationale Titel ein. Heute gilt er als bayrischer Tiefschnee-Papst. Mit seinen ABS-Kursen hat er schon Tausenden Skifahrern das Vergnügen abseits der Pisten nähergebracht.

„Abenteuer Tiefschnee“ sprach mit dem gebürtigen Niederbayern über die Entwicklung des Skifahrens, die Gefahren abseits der Pisten und über schwarze Schafe, die den ganzen Sport in Verruf bringen.

Bekommt man nach Jahrzehnten auf Ski eigentlich irgendwann mal genug?

Ernst Garhmammer: „Nein, nie. Die Materie Schnee ist so faszinierend, das Erlebnis in der Natur so grandios. Da kann es einem nicht langweilig werden. Egal wie oft man schon im freien Gelände unterwegs war, man betritt jedes Mal Neuland und oft ist man der Erste, der seine Spuren in einen Hang zieht. Das sind Erlebnisse, von denen man nie genug kriegt. Ich beschreibe das immer als Zwischending von Gleiten und Fliegen auf einer gigantischen Rutschbahn.“

Kein Wunder also, dass das Tourengehen und das Freeriden boomen ...

Ernst Garhammer: „Ja. Dazu kommt, dass es viele Menschen wieder mehr in die Natur hinaus zieht. Das Fahren auf perfekt präparierten Pisten ist ein Kinderspiel, abseits warten noch Herausforderungen. Aber wie bei jedem Trend gibt es auch hier ein paar negative Auswüchse.“

Was stört dich?

Ernst Garhammer: „Es ist immer alles cool, toll und super. In den Videos von Red Bull und Co. stürzen sich die Profis irgendwelche Steilhänge runter und jeder Feld-, Wald- und Wiesen-Skifahrer meint, er könnte das nachmachen. Das hat manchmal was von einem Selbstmord-Kommando. Dabei hätten die meisten in moderatem Gelände viel mehr Spaß und würden sich nicht unnötig in Gefahr begeben. Wenn ich einen 007-Film angeschaut habe, gewöhne ich mir am Steuer eines Autos ja auch nicht gleich den Fahrstil von James Bond an.“

Es muss also nicht immer extrem sein ...

Ernst Garhammer: „Genau. Es geht doch vor allem um das Erlebnis in der Natur, um den Genuss und die Bewegung. Das kommt mir gerade viel zu kurz. Es gibt für mich nichts Schöneres, als fernab der Menschenmassen im Gelände unterwegs zu sein. Dafür muss der Berg aber nicht besonders hoch, der Hang nicht besonders steil oder besonders gefährlich sein. Für die meisten wäre es wichtiger, zunächst mal eine solide Skitechnik zu beherrschen. Die ist nämlich nötig, um sicher nach unten zu kommen. Bei 20 Zentimeter Neuschneeauflage kommen die meisten zurecht. In der Regel sind die Verhältnisse aber nicht so gut und man hat mit zerfahrenen Hängen, nassem Schnee oder Bruchharsch zu tun. Da muss man auch ordentlich runterkommen.“

Wie sieht es mit der Lawinengefahr aus?

Ernst Garhammer: „Das ist ein ganz wichtiges Thema. Mir geht es in der ganzen Diskussion um Lawinen aber immer viel zu sehr um Verschütteten-Suche und die Taktik nach einem Lawinenabgang. Also um die Dinge, die im Ernstfall das Überleben retten sollen. Das ist natürlich wichtig. Aber es kommt dabei zu kurz, dass es viel entscheidender ist, überhaupt nicht in eine Lawine zu kommen.“

Worauf muss man also achten?

Ernst Garhammer: „Es kommt vor allem auf den gesunden Menschenverstand an. Es bringt dem normalen Tourengeher oder Variantenfahrer nichts, irgendwelche Schneeprofile graben zu wollen oder sich durch Hunderte Seiten Theorie zu kämpfen, wenn er die grundlegendsten Dinge nicht beachtet.

„Stürze erhöhen die Lawinengefahr enorm“

Ich sehe zum Beispiel immer wieder Gruppen, die an gefährdeten Stellen viel zu geringe Abstände halten oder in Mulden unterhalb kritischer Hänge stehen bleiben – an der gefährlichsten Stelle überhaupt. Nicht zu vergessen, die gerade angesprochene Skitechnik. Stürze erhöhen die Gefahr eine Lawine auszulösen enorm.“

Trotz allem bevorzugst du den freien Skiraum gegenüber der Piste auch in Sachen Sicherheit ...

Ernst Garhammer: „Auf jeden Fall. Ich gehe auch mit meinen 5 und 6 Jahre alten Kindern lieber ins Gelände als auf eine überfüllte Piste. Da ist es garantiert sicherer – wenn man weiß, was man tut. Dort begebe ich mich jedenfalls nicht in die Gefahr, von irgendeinem Verrückten umgefahren zu werden.“

Gibt es wirklich so viele Verrückte auf den Pisten?

Ernst Garhammer: „Wo viele Menschen unterwegs sind, sind immer auch ein paar Deppen dabei, die keine Grenzen kennen und ihr Können völlig falsch einschätzen. Gerade wenn viel los ist, fühle ich mich auf der Piste nicht mehr sicher. Da kann ich zu viele Dinge nicht selbst beeinflussen. Es gibt aber auch abseits ein paar Idioten, die keinerlei Rücksicht nehmen und in Hänge schießen, in denen schon andere unterwegs sind. Das ist, wie wenn man beim Klettern an der Steilwand überholt.“

Was empfiehlst du Einsteigern?

Ernst Garhammer: „Auf jeden Fall einen professionellen Tiefschneekurs. Dort bekommt man das nötige Handwerkszeug fürs Gelände – in Sachen Technik und in Sachen Sicherheit. Ganz wichtig sind meines Erachtens auch eigene Ski. Wenn ich jedes Mal welche leihe, muss ich mich immer wieder auf das neue Material einstellen. Wenn man sein Material dagegen kennt, dann weiß man, was möglich ist und wo die Grenzen liegen. Sicherheitsausrüstung gehört selbstverständlich immer dazu.“

Infos

Zur Person

Ernst Garhammer ist staatlich geprüfter Skilehrer und Bergführer. Gemeinsam mit Schwester Hedy und den Brüdern Bernd, Fuzzy und Franz gehörte Ernst Garhammer in den 70er und 80er Jahren zu den Pionieren des Trickski- und Freestyle-Booms und wurde mehrfach Europameister (3 Mal) und Weltcupsieger (5 Mal) im Freestyle-Skifahren. Seit 1975 bringt Garhammer den Teilnehmern in seinen Kursen mit seiner speziellen ABS-Technik das Tiefschneefahren näher.

www.garhammer.com