Der Deutsche Alpenverein, der größte Bergsteigerverband der Welt, und auch die Sektion Schwaben des DAV feiern dieses Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum. „Abenteuer Alpen“ sprach mit dem Sindelfinger Klaus Berghold und mit dem Grafenauer Siegfried Heinkele über die Entwicklung, die Gegenwart und die Zukunft des DAV.
Klaus Berghold ist stellvertretender Vorsitzender der Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) und deren Bergsportreferent, Siegfried Heinkele ist Leiter der Bezirksgruppe Böblingen der Sektion.
150 Jahre DAV. Für was stand der Alpenverein damals und wofür steht er heute?
Siegfried Heinkele: „Wir alle kennen die Schwarz-Weiß-Bilder, wo Bergbegeisterte mit einer für heutige Maßstäbe jämmerlichen Ausrüstung losgezogen sind, um auch durchaus schwierige Touren zu unternehmen. Zu Recht verdienen sie die Bezeichnung Naturburschen. Vom Alpenverein wurden sie nach und nach durch den Bau von einfachen Unterkünften und durch Bereitstellen von Kartenmaterial und Führern unterstützt. Heute ist die Welt nicht nur bunter, es kamen auch neue Spielarten wie das Indoor-Klettern oder das Mountainbiken dazu, und die Hütten werden immer mehr zu Hotels ausgebaut, wo man sein elektrisch angetriebenes MTB parken kann. In meinen Augen eine bedenkliche Entwicklung, denn Bergsteigen heißt auch Verlassen der Komfortzone, um sich mit eigener Kraft die wunderbare Bergwelt zu erschließen. Die zu erhalten, ist ein großes Anliegen des Alpenvereins.“
Die Sektion Schwaben gehört zu den Gründungssektionen des DAV und ist eine der größten in Deutschland. Sind die Menschen in der Region besonders verrückt nach Bergen und Abenteuern?
Klaus Berghold: „Die Sektion Schwaben ist mit etwa 32 000 Mitgliedern nach den beiden großen Münchner Alpenvereinssektionen die drittgrößte in Deutschland. Zusammen mit der zweiten großen Sektion in Stuttgart sind in der Region etwa 60 000 Bergsteiger, Wanderer und auch Freerider, Skitourengeher und Mountainbiker im Alpenverein organisiert. Hieran sieht man deutlich, welchen Stellenwert Bergsport in der Region hat.“
Was zieht die Menschen heutzutage in die Berge?
Siegfried Heinkele: „So unterschiedlich die Mitglieder des Alpenvereins sind, so verschieden sind auch die Interessen der Leute, die in die Berge gehen. Einsamkeit und Ruhe darf man am Wochenende auf leicht erreichbaren Hütten nicht erwarten. Ist es das Weg vom Alltag, das Raus in die Natur, Geselligkeit in der Gruppe? Vielleicht von allem etwas. Unter der Woche trifft man schon eher die Leute, die sich einfach nur in der Natur bewegen wollen, um die unterschiedlichen Facetten des Bergsteigens zu erleben, und sich freuen, wenn man auf Gleichgesinnte trifft. So habe ich mal auf einem Gipfel von einem Wildfremden einen Schnaps angeboten bekommen. An solche Begegnungen erinnert man sich gern.“
Im Fernsehen und im Internet begegnet man ständig Extremsportlern, die sich beim Klettern, Mountainbiken, Freeriden oder bei Skihochtouren großen Gefahren aussetzen. Gibt es so eine Tendenz auch bei Ihren Mitgliedern?
Klaus Berghold: „Vor dem Hintergrund der großen Anzahl der Bergbegeisterten im Stuttgarter Raum ist mein Eindruck, dass die meisten heute gut ausgerüstet und auch entsprechend ihrer Vorerfahrung angemessen unterwegs sind. Es passieren im Verhältnis wenig schwere Unfälle. Wir im Alpenverein bieten gerade zum Einstieg in die gefährlicheren Sportarten wir Klettern und Skitouren Kurse an, um den Umgang mit den technischen Mitteln und die Einschätzung der Gefahren von Anfang an richtig zu erlernen. Natürlich gibt es auch einzelne Extremsportler im Alpenverein. Dazu gibt es Kadergruppen und auch Fördermöglichkeiten seitens der Vereine. Ich sehe hier in den Vereinen eher eine Professionalisierung der Möglichkeiten. Im Spitzensport, vor allem beim Soloklettern oder bei extremen Winterbegehungen, gab es zuletzt tödliche Unfälle. Ich möchte hier allerdings klarstellen, dass derartige hochriskante Unternehmungen nicht im Umfeld des Alpenvereins durchgeführt werden. Wir beobachten derartige Unternehmungen mit Respekt, die Aufgabe des Alpenvereins besteht allerdings darin, für seine Mitglieder ein möglichst unfallfreies Umfeld bereitzustellen.“
Welche Angebote werden in der Region Böblingen besonders nachgefragt?
Siegfried Heinkele: „Skitouren, Schneeschuhtouren und Hochtouren gehören zu den gefragtesten Angeboten. Übertroffen wird das nur noch von den gemeinsamen Ausfahrten mit unseren spanischen Freunden vom Club Picos d‘Europa, dieses Jahr haben wir trotz 27 Plätzen noch zwei Leute auf der Warteliste. Die Kooperation wurde vor 22 Jahren vom damaligen Vorsitzenden Hubert Blana ins Leben gerufen, und hat bis zum heutigen Tag kein bisschen an Interesse verloren.“
Was ist die größte Errungenschaft des DAV?
Klaus Berghold: „Der Alpenverein betreibt in den österreichischen und deutschen Alpen Hütten, pflegt und betreut das Wegenetz in diesen Gebieten, die meist unter Naturschutz stehen, und leistet damit einen extrem wichtigen Beitrag für alle, die in den Bergen unterwegs sind. Seit etwa zwanzig Jahren sind die Sicherungsmöglichkeiten beim Klettern deutlich vorangeschritten. Dies hat dazu geführt, dass der Klettersport boomt. Neben den Kletterrouten in den Alpen hat sich das Klettern in den letzten 10 Jahren immer mehr in die Kletterhallen in unseren Städten verlagert. Auch hier ist der DAV enorm wichtig, gerade wenn es um Ausbildung und Sicherheit geht. Nicht zuletzt ist ein ganz zentrales Thema der Einsatz im Naturschutz, um den Sport möglichst naturverträglich durchzuführen. Nicht zuletzt – viele Bergkameradschaften, die sich bei den Unternehmungen entwickelt haben.“
Siegfried Heinkele: „Der Alpenverein bringt die unterschiedlichsten Menschen zusammen, um gemeinsam ihre Unternehmungen durchzuführen. Kameradschaft hat hier eine Schlüsselstellung, Beruf, Herkunft oder soziale Stellung spielen eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist gegenseitiges Vertrauen. Der DAV vermittelt mit seinen Ausbildungskursen das Handwerkszeug, um sich sicher in den Bergen bewegen zu können. Und last, but not least: Nur wer sich in die Bergwelt begibt, versteht, wie wichtig deren Schutz ist, wie sehr unsere Alpen unter dem Klimawandel leiden, und das nicht erst, seit dieser Begriff in aller Munde ist, denn das hat schon vor Jahrzehnten angefangen.“