Vom Seehofseeli in den MTB-Himmel

Höhenflüge und endlose Trails in Davos

von Steffen Müller

Rock the Bock heißt das Festival zum Bike-Opening in Davos, das dieses Jahr im Juni zum ersten Mal über die Bühne geht. Die Premiere ist wegen der Begleitumstände noch kein Mega-Event aber trotzdem ein voller Erfolg. Vor allem, weil es bei Rock the Bock wirklich um den Bock, also das Bike und um die grandiosen Trails der Stadt in den Graubündner Bergen geht.
Vom Seehofseeli in Davos Dorf starten unzählige geguidete Touren unterschiedlichster Schwierigkeiten, bei denen es mit Bergbahn oder Shuttle auf Jakobshorn, Rinerhorn, Parsenn, Gotschna, Madrisa oder auch in Richtung Flüelapass zum Tschuggen geht. Die Bike Academy Davos begleitet die Teilnehmer mit ihren Guides. So bleibt kein Leckerbissen unentdeckt.
Doch es geht nicht nur ums Biken selbst. Im Workshop Bike-Fotografie für Social Media zeigt der vielfach begabte Outdoor-Sportler und Fotograf Jan Cadosch, worauf es bei einem guten MTB-Insta-Shot ankommt. Von ihm kann man noch viel lernen – auch beim Biken.
Wir starten in Richtung Rinerhorn, es geht entspannt durch Davos Dorf und weiter bis Glaris, von hier hoch mit der Rinerhorn-Bahn bis zum Jatzmeder. Dann wird bergan gekurbelt. Am Trailstart wartet ein grandioser Blick auf Davos und die Bergwelt um uns herum. Traumhaft! Die Trails Richtung Glaris auf der ersten Runde und die landschaftlich noch schönere Variante ins Sertigtal machen richtig Spaß, sind flüssig aber keineswegs durchgehend einfach. Überhaupt: wer auf der Suche nach geschmeidigen Trails ist, auf denen alle Hindernisse beiseite geräumt wurden, nach in den Hang gefrästen Anliegern oder nach echten Murmelbahnen, der dürfte in Davos nur bedingt richtig aufgehoben sein. Eine der wenigen Strecken, die puren Flow bietet, ist der Technik-Trail am Jakobshorn. Hier kann man entweder wirklich an seiner Technik feilen, oder sich einfach ganz entspannt ins Tal tragen lassen.

Natürlich biken

Ansonsten fährt man in Davos auf überwiegend naturbelassenen Pfaden. Das selbst ernannte Singletrail-Paradies ist gerade deshalb eines. Nur Mountainbiken sollte man auf vielen Trails schon einigermaßen können, um richtig Spaß zu haben. Zudem ist ein üppiger Federweg sinnvoll, wenn man sich an die anspruchsvolleren Abfahrten vwagen will. Wer aber weiß, worauf er sich einlässt, kann eine Menge erleben.
Wer sich überschätzt, der hat wenigstens den Trost, sein MTB durch eine wunderbare Landschaft tragen zu dürfen – auch das habe ich schon erlebt und kam zur Erkenntnis, dass es höchste Zeit für ein neues Bike mit mehr Federweg ist. So wurde der damalige Trip nach Graubünden letztlich zu einem teuren Spaß, was keineswegs am überzeugenden Angebot und den Preisen in Davos liegt. Die sind, gerade im Sommer, nämlich durchaus moderat.
Nach einigen Trails, die mich nahe an meine Grenzen gebracht haben, ist es für mich an Tag eins an der Zeit für etwas Entspanntes. Während Fotograf Ben Wiesenfarth, der deutlich bessere Fahrer von uns beiden, sich nochmal in Richtung des Teufi-Trails vom Jakobshorn aufmacht, ist es für mich an der Zeit für einen Rad-Wechsel. Mit dem nagelneuen Gravel-Bike geht es zur Abend-Runde ins Dischmatal - entlang des sprudelnden Bächleins stetig bergauf in Richtung Scalettapass, der den Übergang ins Engadin markiert. Atemberaubend schön und eine gelungene Abwechslung zu den Moutainbike-Abfahrten. So lässt sich die Natur ganz entspannt genießen. Davos ist mit seinen unzähligen Pässen eben nicht nur zum Mountainbiken ideal. Ganz hoch zum Scheitelpunkt geht es an diesem Tag nicht, schließlich stehen in den kommenden Tagen noch weitere Trail-Abenteuer auf der Agenda.

Neuer Tag, neues Glück

Zum Start der meisten Trails kommt man bequem mit der Seilbahn. Von den Bergstationen Jakobshorn, Gotschnagrat oder Parsenn aus gibt es unzählige Varianten. Man sollte sich nur nicht täuschen lassen. Nach der Bergfahrt folgt nicht etwa ein temporeiche Abfahrtsorgie à la Bikepark, sondern eine Mountainbike-Tour mit hohem Trail-Anteil, vielen anspruchsvollen Passagen und einigen Gegenanstiegen. Bike-Abenteuer mit allem, was dazu gehört.
Wer nur ballern möchte, ist hier falsch. Wer faszinierende Erlebnisse in alpinem Umfeld sucht, auch gerne an seine Grenzen geht, dagegen goldrichtig. Gelegenheit, die Energiespeicher wieder zu füllen, gibt es genug. Zum Beispiel das Gasthaus „Zum Bergführer“ im Sertig Dörfli. Dort wartet nicht nur eine nette Unterhaltung mit dem gut gelaunten Personal, sondern – neben vielen weiteren lokalen Spezialitäten – mit etwas Glück als Tagesangebot auch wunderbare Pasta mit Steinpilzen aus den umliegenden Wäldern. Oder man setzt sich etwas weiter talaufwärts ins Walserhuus und probiert die hausgemachten Capuns.
Wer vom Bken gar nicht genug bekommen kann, dem sei die Bahnentour ans Herz gelegt. Hier geht es achtmal mit den Bergbahnen hoch und satte 10.000 Höhenmeter auf Singletrails bergab. Danach sollte auch der größte Hunger nach Abfahrtshöhenmetern gestillt sein. Davos verlangt aber auch sonst definitiv mehr als Trail-Kompetenz bergab. Die Region ist aber nicht nur etwas für Konditionstiere. Wem die Bahnentour oder der Swiss Epic Trail zu lang wird, der hat an etlichen Stellen die Möglichkeit abzubrechen und den direkten Weg in Richtung Tal zu wählen.
Dass man in der Gondel gerne mal mit 30 Gleichgesinnten samt Bikes steht, und die Wanderer, die die Bergfahrt wählen, an vielen Tagen deutlich in der Minderheit sind zeigt, wie attraktiv Davos für Mountainbiker ist. Die kommen in den zahlreichen Bikehotels oder auch auf dem Campingplatz Rinerlodge unter. Hier ist man quasi unter sich. Camper-Vans und Fullys soweit das Auge reicht. Die Stimmung ist prächtig, am Abend erzählt man sich bei Bier, Wein und Limo von den Heldentaten des Tages. Wer es auf dem Bike gerne etwas ruhiger hat, kann dem Trubel auf den unzähligen Trails problemlos entgehen, indem er etwas früher oder deutlich später als der Rest startet.

Ohne Lift, dafür mit Gletscher

Oder aber man steigt in Klosters ein und macht sich, ganz ohne Seilbahn, auf zur Runde in Richtung Alp Garfiun. Die ersten Kilometer steigen ganz entspannt – optimal um die grandiose Natur entlang der Landquart mit Blick auf den Silvretta-Gletscher zu genießen. Apropos genießen. Dazu eignet sich auch eine Rast auf der Alp Garfium. Hier kann man sich für den folgenden Anstieg stärken, der auf den höchsten Punkt dieser Tour, auf 1670 Meter, führt. Zum finale der Tour, wartet fahrtechnisch der Höhepunkt. Der Trail über Pardels zurück nach Klosters.
Noch so eine landschaftlich wunderbare Tour ohne Liftunterstützung findet man am am Flüelapass. Hier kurbelt man entweder selbst hoch, oder man lässt sich shutteln. Die Abfahrt führt links des Flüelapasses über Wasserfälle, durch schmelzende Schneefelder und durch lichte Wälder – immer am Hang entlang - bergab. Ein echtes Erlebnis ohne große Schwierigkeiten. Das gilt zumindest für den Teil grob unterhalb des Fotospots „Grand Tour of Switzerland“ an der
Passstraße. Oberhalb geht es etwas ruppiger zu.

Bilder: Ben Wiesenfarth

Infos

Das Wort „episch“, das die Werbeexperten der Destination im Zusammenhang mit ihrem Mountainbike-Angebot verwenden, ist allemal zutreffend. Rund 700 Kilometer Trails warten rund um Davos und im Prättigau auf die Biker. Darunter einige flowige Strecken und jede Menge natürliches, wurzeliges, teils felsiges, teils auch verblocktes Geläuf in atemberaubender Hochgebirgsumgebung.
Dazu fühlt man sich hier richtig zuhause – ohne sich in einem abgeschlossenen Mountainbiker-Habitat zu wähnen. Neben vielen Gleichgesinnten auf zwei Rädern teilt man sich die Berge mit Wanderern und die Stadt mit vielen anderen Touristen aus verschiedensten Ecken des Planeten. Das Schöne daran: das Miteinander funktioniert wunderbar.
www.davos.ch

Alle Infos zum Bikeangebot

www.davos.ch/aktivitaeten/radsport/mountainbiken

Bergbahnen Davos Klosters

www.davosklostersmountains.ch

Bikeguiding

www.bike-academy.ch  

Das Festival Rock the Bock findet 2022 vom 24. bis 26 Juni statt