Vom Luxus der Reduktion aufs Wesentliche

Bikepacking: Thomas Schwarzwälder über Freiheit, Begegnungen und die optimale Reisegeschwindigkeit

von Lena Kassel

Der Sindelfinger Thomas Schwarzwälder liebt Fahrräder – und er liebt Bike-Abenteuer. Am liebsten mit Übernachtungen in freier Natur. Dabei gilt für ihn: Je weniger Gepäck desto mehr Freiheit. Worauf man beim Bikepacking achten muss, was den Berufsschullehrer dabei so fasziniert und was er Einsteigern empfiehlt, verrät er hier.

Wie erklärst du einem absoluten Neuling, was Bikepacking ist?

Thomas Schwarzwälder: „Für mich bedeutet Bikepacking, mehr als einen Tag mit dem Fahrrad und minimaler Ausrüstung unterwegs zu sein. Es ist deutlich reduzierter als eine klassische Radreise. Beim Bikepacking wird irgendwo geschlafen, wo es gerade passt. Da ist nichts vorgeschrieben. Einmal habe ich in einer superschönen Hütte gemeinsam mit einem Obdachlosen übernachtet. Da hat es wahnsinnig stark geregnet und er war eben schon vor mir dort. Auch so etwas kann passieren.“

Seit wann bist du regelmäßig auf Bikepacking-Touren unterwegs?

Thomas Schwarzwälder: „Das ist schwierig zu beantworten, da der Übergang von Radtouren zum Bikepacking sehr fließend ist. Auf normalen Touren bin ich schon sehr lange unterwegs. Irgendwann habe ich dann meine Ausrüstung nach und nach reduziert – erst lässt man das Zelt zu Hause, dann den Kocher. Und irgendwann ist die Ausrüstung so minimal, dass man von Bikepacking sprechen kann. Ich bin schon immer viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Die Faszination war also schon sehr lange da. An meine erste lange Bike-   packing-Tour erinnere ich mich gut, das war die „Trans-Germany“. Die Strecke führt einmal quer durch Deutschland von Basel bis nach Rügen und ist rund 1.600 Kilometer lang. Jeden Tag kreuzt man dabei eine komplett andere Landschaft und Umgebung.“

Was fasziniert dich so sehr am Reisen mit dem Fahrrad?

Thomas Schwarzwälder: „Beim Bikepacking ist man in der optimalen Geschwindigkeit unterwegs, sodass man viel von der Umgebung wahrnimmt. Im Bikepacking-Style bin ich meistens alleine auf Tour, treffe aber trotzdem oft andere Menschen. Seien es andere Radfahrer, Wanderer oder Leute aus dem Ort – es gibt viele interessante Begegnungen. Außerdem bedeutet Bikepacking für mich Verzicht auf die Dinge, die ich nicht unbedingt brauche. Nicht jeder ist bereit, das zu tun.“

Gab es auch Erlebnisse, die dir negativ in Erinnerung geblieben sind?

Thomas Schwarzwälder: „Nicht direkt. Natürlich hat man auch mal Schmerzen oder muss die Tour abbrechen. Einmal habe ich mich 50 Kilometer vor meinem zu Hause abholen lassen müssen. Es gibt einfach manchmal Tage, die sind grottenschlecht – aber auch das gehört eben dazu. Ich fahre immer an meiner Grenze, denn für mich bedeutet Bikepacking, aus meiner Komfortzone herauszukommen.“

Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um ins Bikepacking einzusteigen?

Thomas Schwarzwälder: „Nur Spaß am Radfahren, sonst nichts.“

Infos

5 Tipps für Bikepacking-Einsteiger

Nicht gleich übertreiben…
Als Bikepacking-Neuling sollte man sich nicht zu viel vornehmen. Eine ganze Woche Bikepacking mit mehreren Nächten ist für die meisten Einsteiger zu viel. Eine oder zwei Nächte sind für die erste Tour angemessen.

Das eigene Tempo fahren
Bei bereits bestehenden Touren ist oftmals eine Strecke vorgegeben, die am Tag zu bewältigen ist. Gerade als Anfänger sollte man sich nicht zwangsweise daran orientieren und sein eigenes Tempo fahren. Es können auch schon 50 Kilometer am Tag vollkommen ausreichen. „Man erspart sich viel Druck, wenn man nicht ankommen muss“, sagt Thomas Schwarzwälder.

Der Knackpunkt Nacht
Gerade als Anfänger kann es ungewohnt und vielleicht sogar beängstigend sein, die Nacht irgendwo ohne vorherige Planung im Freien zu verbringen. Man sollte sich zutrauen, diese Erfahrung zu machen. Zu Beginn können auch Angebote wie „1NiteTent“ hilfreich sein. Hier kann man zwar das Schlafen im Freien erleben, ist aber trotzdem in einem geschützten Rahmen.

Mit den richtigen Menschen losziehen
Auch wenn viele Bikepacker gerne allein unterwegs sind und die Ruhe schätzen, sollte man am Anfang auf eine Begleitung setzen. Nicht nur aus Gründen der Sicherheit, sondern auch und vor allem, weil es auf jeder Tour mentale Tiefpunkte geben kann. Daher sollte man mit Leuten unterwegs sein, mit denen man solche Situationen überwinden kann.

„Man braucht eigentlich gar nichts“
Bikepacking kann im Prinzip mit jedem Fahrrad und dem unterschiedlichsten Gepäck betrieben werden. Teure Ausrüstung wird gar nicht benötigt. Gerade als Einsteiger kann es schwer sein, sich zu reduzieren. Man sollte daher immer genau hinterfragen, was man tatsächlich braucht, und was auch zu Hause gelassen werden kann.

One night tent
1NiteTent ist ein Online-Portal, über das Privatleute ihre Grundstücke zum Übernachten zur Verfügung stellen können. Ähnlich wie beim „Couchsurfing“ können so Outdoorfreunde, die einen Schlafplatz brauchen, unkompliziert und kostenlos ihre Nacht auf einem Privatgrundstück im Freien verbringen. Weitere Informationen und eine Online-Karte mit allen Standorten sind auf
www.1nitetent.com zu finden. 

Bilder: Thomas Schwarzwälder