Avers - das Hochtal der Touren

Das Hochtal in der Viamala-Region in Graubünden ist ein Juwel für Skitourengeher

von Steffen Müller

Durch wilde Schluchten schraubt sich das Sträßchen empor. Eiszapfen hängen von den Felsen, das Sonnenlicht blinzelt nur zaghaft zwischen den Steilwänden durch. Eine wilde, faszinierende Landschaft. Allerdings stellt sich an dieser Stelle die Frage, wo hier eigentlich Skitouren möglich sein sollen... Zahlreiche Kehren weiter kommt die Auflösung. Die Landschaft öffnet sich und gibt den Blick auf ein wunderbares Hochtal, umrahmt von majestätischen Gipfeln, frei.
Das Avers-Tal liegt im Süden des Kantons Graubünden in der Region Viamala. Im Süden die Grenze zu Italien, im Osten das Engadin. Vom Massentourismus verschont geblieben - im gesamten Tal gibt es sechs kleinere Hotel und einige Ferienwohnungen, sowie ein kleines Skigebiet - hat man hier als Tourengeher fast unendliche Möglichkeiten. Die Gipfel reichen bis über 3000 Meter Höhe und die Hänge sind praktisch zum Skifahren geschaffen.
In Juf, dem mit 2126 Meter höchsten ganzjährig bewohnten Ort der Alpen, endet die Straße. Danach geht es nur mit Skiern weiter - oder wahlweise mit Schneeschuhen. Wer sich am Anreisetag bequem einen Überblick über das Tal und seine unzähligen Dreitausender verschaffen will, löst sich am besten ein Liftticket für das kleine Skigebiet mit seinen zwei Bügelliften und acht Kilometern Piste. Von der Bergstation-des Tscheischa-Lifts auf 2600 Meter wartet nicht nur eine schöne, sportliche Abfahrt, die bei Neuschnee tolle Tiefschneehänge erschließt, sondern auch ein grandioser Blick über das Tal und die umliegenden Gipfel. Der Blick fällt auf ein paar Häuschen und kleine Höfe - ursprünglich echt und ganz ohne Bausünden.

Bio-Bauer und Bergführer

Einen dieser Höfe bewirtschaftet Kasimir Schuler gemeinsam mit seiner Frau Nina. Auf dem Biohof leben gut 20 glückliche Rinder und einige Schafe, die sich nach der Schneeschmelze auf saftigen Bergwiesen austoben können. Jetzt gehören die Hänge noch den Skitourengehern. Die lotst Kasimir Schuler als Bergführer von der Bergsportschule Grischa auf die Gipfel und über traumhafte Hänge zurück ins Tal. Der 36-Jährige kennt die Region wie seine Westentasche. „Die Wettervorhersage für morgen ist gut sagt er. „Am Piz Piot finden wir sicher noch guten Schnee.“ Das hört sich gut an. Rund 1200 Höhenmeter stehen auf dem Programm. Los geht es um 7 Uhr am Morgen - direkt vom Hotel Bergalga, das ein perfekter Stützpunkt für alle Unternehmungen ist und selbstverständlich vorzugsweise Bioprodukte aus dem Tal anbietet.

Über den luftigen Grat

Nach einer klaren Nacht ist es knackig kalt. Zunächst geht es gemütlich bergauf bis nach Juf, dann entlang der Loipe weiter ins Tal, ehe das Gelände langsam steiler wird. Über Kuppen und weite Hänge geht es ganz entspannt entlang des Jufer Rhein Richtung Gipfel. Es hat lange nicht mehr geschneit, trotzdem gibt es noch zahlreiche unberührte Hänge - und jede Menge Pulver - ein Traum! Vom Piotjoch auf gut 2800 Meter Höhe wählen wir wegen der sicheren Verhältnisse den Aufstieg mit Ski auf dem Rucksack über den luftigen Grat. Steigeisen und Pickel brauchen wir heute nicht. Der Rundumblick mit Piz Bernina, Gletscherhorn und unzähligen weiteren majestätischen 3000ern ist grandios. Am Gipfel weht kein Lüftchen. Zeit genug also, sich die Abfahrtshänge bei einem Schluck Tee, Graubündner Bergkäse und Salsiz aus der Distanz anzuschauen.
Die Lawinengefahr ist niedrig, es spricht also nichts gegen die steile Variante. Mit ausreichendem Abstand zur mächtigen Wechte geht es die ersten 150 Höhenmeter in südwestlicher Richtung rasant bergab. Wir sind gut in der Zeit, die Verhältnisse sind ideal: „Ich würde vorschlagen, dass wir nicht die Aufstiegsroute abfahren, sondern nordwestlich unterhalb der Grauhörner ins Bergalgatal. Das ist eine richtig coole Abfahrt“, sagt Kasimir Schuler. Allerdings.

Purer Genuss

Die kommenden 900 Höhenmeter sind purer Genuss und bieten die unterschiedlichsten Schneebedingungen. Entsprechend brennen die Oberschenkel nach der fordernden Tour. Bei den letzten Schwüngen geht es über wunderbaren Firn, ehe die beeindruckende Runde entspannt mit ein paar Skatingschritten auf dem Wanderweg und auf der Loipe bis kurz vor dem Hotel ausläuft. Diese Route ist für Fremde nicht ganz einfach zu finden - und kann vor allem bei schlechter Sicht schnell im Tobel enden. Ein Bergführer sei deshalb dringend empfohlen. Das gilt auch für die rassige Tour auf das Tscheischhorn 3019, die am folgenden Tag auf dem Programm steht.

Es gibt aber durchaus auch einfachere Touren im Avers, die mit etwas Erfahrung auch so machbar sind. Dazu gehört zum Beispiel das Chlin Hüreli (2797 Meter) oder das benachbarte Großhorn (2780 Meter). Hier warten ideale, weite Hänge.

Infos

Mehr zur Region Viamala unter
www.viamala.ch

Mehr zum Skigebiet unter
skiferien-graubuenden.ch

Übernachtungstipp
Das Hotel Bergalga wird genossenschaftlich geführt und liegt ideal. Das Bergalga bietet gemütliche Zimmer und eine hervorragende, bodenständige Küche mit regionalen Zutaten aus biologischem Anbau:
www.bergalga.ch  

Bergsportschule Grischa
Die Bergsportschule Grischa hat ihren Sitz im Avers. Die Bergführer um Kasimir Schuler führen Gruppen und natürliche auch einzelne Tourengeher durch ihre faszinierende Heimat.
www.bergsportschulegrischa.ch

Eine eindrucksvolle Tourenreportage aus dem Avers inklusive Übernachtung im Zelt auf über 3000 Meter Höhe gibt es hier.