Mit 97 Prozent zum WM-Titel

Freerider Max Hitzig im Gespräch mit Caja Schöpf

von Caja Schöpf

Max Hitzig wurde 2002 am Vorarlberg geboren, wuchs im Montafon auf und lebt heute in der Freeride-Metropole Innsbruck. Mit nur 21 Jahren wurde er Freeride-Weltmeister 2024. Und das, obwohl er erst seit drei Jahren Profi war. Er ist bodenständig. Arbeiten und eine Lehre waren ihm wichtig. Also schloss er erst mal seine Lehre zum Elektrotechniker ab und konzentrierte sich erst mit 19 voll aufs Skifahren. In nur drei Profi-Jahren ist ihm geglückt, wonach andere die ganze Karriere streben. Wie das funktioniert, ob es nur Glück ist oder mehr dahintersteckt, darüber spricht Sportpsychologin Caja Schöpf im Rahmen ihres Podcasts und unserer Serie „Gipfeltreffen im Kopf“ mit dem Ausnahmesportler.

Max, aufgrund deiner konstanten und meist fehlerlosen Performance über die letzten drei Jahre haben dir die Live-Kommentatoren der Freeride World Tour unter anderem den Spitznamen „Freeride Robot“ oder „Mentalmonster“ gegeben. Ich wollte immer schon mal ein Mentalmonster bei Sport im Kopf.  Siehst du dich selbst so?

Max Hitzig: „Ich weiß nicht, aber ich verstehe es, wenn man mich so sieht. Wenn ich die Wettkämpfe im Nachhinein anschaue, dann sehe ich mich selbst auch so. Man muss aber dazu sagen, dass wir nur fünf Wettbewerbe im Jahr haben. Da bin ich dann auch wie ein Freeride Robot und fokussiere mich nur auf Tag X. Man bereitet sich 365 Tage auf diese fünf Tage vor. Und an diesen Tagen hat man auch keine zweite Chance. Das macht Wettkampfsport auch so unangenehm und ist für mich mental die größte Herausforderung. An diesen fünf Tagen versuche ich meine physischen und mentalen Kräfte zu bündeln. Am Ende des Tages gewinnt der, der die meisten Punkte hat. Und man gewinnt halt gerne oder steht gerne auf dem Treppchen. Die restliche Zeit bin ich aber eigentlich ganz anders. Da bin ich entspannt unterwegs, probiere viel Neues und bin kreativ. “

Denkst du man läuft dann manchmal auch die Gefahr, dass man an Wettkämpfen versucht, ganz besonders gut und perfekt zu performen? Dass man Dinge besser machen möchte als im Training und dann zu viel Risiko eingeht?

Max Hitzig: „So war es bei mir auch am Anfang. Als Jugendlicher nahm ich an zwei Wettkämpfen teil. Das ist nicht viel. Der Grund dafür ist, dass ich immer versucht habe mehr als mein Bestes zu geben und das hat nicht funktioniert. Also habe ich es damals mit den Wettkämpfen gelassen. Erst mit 19 bin ich dann wieder einen Wettkampf gefahren und da habe ich von Flo Orley (dreimaliger Freeride Vize-Weltmeister Snowboard) den Tipp bekommen, dass ich nicht mit meinen 100 Prozent oder darüber einen Wettkampf fahren sollte, sondern knapp drunter. Und so entstand meine 97-Prozent-Regel. Eine komische Zahl, ich weiß. Aber ich kann sie mir merken und für mich ist sie das perfekte Maß.“

Eine clevere Strategie sich selbst ein bisschen auszutricksen, denn normalerweise performt man immer ein bisschen über seinem Limit an Wettkämpfen. Bist du denn nervös vor einem Wettkampf?

Max Hitzig: „Natürlich bin ich da nervös, aber meistens nur die 20 Sekunden vor dem Start. Da ist viel los, alle Augen sind auf einen gerichtet, die Drohnen kommen, der Heli startet. Aber sobald ich losfahre, denke ich nicht mehr nach. Da weiß ich dann was zu tun ist, da läuft alles automatisch ab. Aber ich übe das auch im Training, simuliere sozusagen die Startsituation. Fahre mit GoPro, stelle mir vor, die Leute auf der Piste beobachten mich und erzeuge künstlich eine innere Anspannung, mit der ich lerne, gut umzugehen.“

Hast du bestimmte Routinen vor dem Wettkampf?

Max Hitzig: „Ich habe keine speziellen Routinen. Ich versuche, meine Ski nicht zu vergessen. Meine Routine ist vielleicht, dass ich versuche, entspannt zu bleiben und den Wettkampftag wie jeden anderen Tag zu behandeln. Wenn ich hungrig bin, esse ich; wenn nicht, zwinge ich mich nicht. Ok, vielleicht zu einer Kleinigkeit. Ich versuche, ruhig zu bleiben und fokussiert zu sein.“

Freeriden wird Teil der Olympischen Spiele 2030 in den französischen Alpen sein. Dann bist du 28 Jahre alt. Ist das ein Ziel?

Max Hitzig: „Auf jeden Fall, das wäre mega cool. Aber sechs Jahre sind eine lange Zeit. Also schauen wir mal. Dieses Jahr freue ich mich vor allem auch schon auf mein erstes Filmprojekt. Und natürlich auf die Freeride World Tour. Das Schöne an meiner Sportart ist die Vielseitigkeit. Die Wettkämpfe sind ja nur ein kleiner Teil. Man kann so viel machen, kreativ sein und immer dazu lernen. Das ist wunderschön. Und deswegen liebe ich diesen Sport. “

Infos

Gipfeltreffen meets Sport im Kopf mit Caja Schöpf

Caja Schöpf ist ehemalige professionelle Skifreestyle-Fahrerin, Sportpsychologin und Verhaltenspsychotherapeutin. Für die Abenteuer-Magazine gibt die 39-Jährige aus Ohlstadt bei Garmisch-Partenkirchen seit 2021 in der Rubrik “Gipfeltreffen im Kopf“ Tipps zur Optimierung mentaler Fertigkeiten und der inneren Einstellung, um die eigenen Ziele zu erreichen und noch mehr Spaß an sportlicher Herausforderung zu haben. In der aktuellen Folge verschmelzen wir wieder das „Gipfeltreffen“ mit Cajas Podcast  „Sport im Kopf“ – mit einem Vorab-Interview aus der Folge mit Freeride-Weltmeister Max Hitzig (die komplette Folge gibt es ab 6. Dezember auf Spotify und überall, wo es Podcasts gibt).

Im Podcast „Sport im Kopf“ spricht Caja Schöpf mit Profisportlern und spannenden Gästen aus der Welt des Leistungssports über die mentale Komponente ihres Schaffens. Sportpsychologie mit all ihren Facetten. Fundiertes Wissen, spannende Geschichten und authentische Charaktere - das ist Sport im Kopf. Mentale Stärke zum Zuhören, Lernen und Umsetzen für Sport und Alltag.

Hier geht es direkt zum Podcast.