Ladinische Leckerbissen

Alte Badia ist für Bergsteiger und Feinschmecker purer Genuss

von Renate Drechsel

Anspruchsvolle Bergtouren mit Hüttenübernachtung, Sterneküche – oder gleich beides? Die Region um Alta Badia hat abenteuerlustigen Genießern einiges zu bieten.
Der Wecker klingelt früh am Morgen, die Sonne verbirgt sich noch hinter den Wolken. Ein Powerfrühstück auf der Hotelterrasse und rein in die Wanderstiefel. Auch der aufwändig gepackte Rucksack wird geschultert, nicht zu schwer für die eineinhalbtägige Wanderung, aber hoffentlich mit allem Wichtigen drin. Was in einen Rucksack gehört, steht hier.

Ein gutgelauntes Urgestein

Vor dem Hotel wartet schon Andrea Oberbacher, unser Bergführer. Ein exzellenter KLetterer und ein ladinisches Urgestein. „Bun dè“ - ladinisch Guten Tag – lautet die freundliche Begrüßung. Nach kurzem Transfer vom Hotel in La Villa erreichen wir das Grödner Joch, den Startpunkt der Wanderung. Ein Blick auf die hochaufragende, schroffe Bergwelt erzeugt Ehrfurcht - und Tatendrang. Der Naturpark Puez-Geisler, 2009 zum UNESCO Welterbe ernannt, bietet eine atemberaubende Naturlandschaft, schöne Wanderwege führen nach oben zum Cirjoch. Der Blick auf das Sella Massiv ist atemberaubend.  „Hier ist mein Büro“, sagt Bergführer Andrea und lächelt zufrieden. Es dürfte eine der schönsten Arbeitsstätten Europas sein.
Doch auch hier ist nicht alles perfekt. Andrea berichtet von der Entwicklung des Bergtourismus, die vielen Untrainierten die Welt der Berge erschließt, nicht immer zu deren eigener Sicherheit. Zu viele Wanderer hat er schon gesehen, die sich selbst überschätzen: „Ich muss mir nur ihre Ausrüstung anschauen, dann weiß ich, ob sie für eine Tour taugen.“

Zähne zusammenbeißen

Schon müssen wir die Zähne zusammenbeißen. Es wird zunehmend steiler und anspruchsvoller, immer öfter muss man sich feste Trittsteine suchen. Über die Cir-Scharte (2469 Meter) und das Crespeina-Joch (2536 Meter) erreichen wir die Ciampei-Scharte (2366 Meter) mit Blick auf die 3000er des Alpenhauptkamms und die Puez-Hütte, eine bewirtschaftete Hütte des italienischen Alpenvereins. Die liegt wunderschön auf dem Hochplateau der Puez-Gruppe auf 2475 Meter. Die Flora der Berge wirkt intensiv wie nie, selbst der einheimische Bergführer ist begeistert von der diesjährigen Pracht der seltenen Gebirgsblumen.
Unsere Tour führt weiter durchs Edelweisstal begleitet vom Pfeifen der Murmeltiere auf den Grashängen. Und dann hoch zur Sassongher-Scharte (2435 Meter), schmale Gebirgspfade fordern volle Konzentration, aber die großartige Bergkulisse entschädigt für die Mühen. Leider ziehen dunkle Wolken auf und unser Bergführer entscheidet, den markanten Sassongher-Gipfel nicht zu besteigen.

Ausgesetzt und aussichtsreich

Ich sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Nach viereinhalb Stunden Belastung schmerzen die Beine, doch der bevorstehende Teil der Route wird nicht minder anstrengend. Steil abfallende Pfade, wechseln sich ab mit schmalen Wegen, Schotterhänge folgen auf kurze steile Aufstiege, oftmals ausgesetzt aber mit Halteseilen versehen. Feuersalamander, die unter den Felsen hervorhuschen, sorgen für die nötige Ablenkung und der Bergführer lockt: „Da vorne um die Bergkante, dann sieht man bald unser Ziel, die Gardenacia Hütte“.
Nach mindestens drei dieser Kanten ist doch tatsächlich die Berghütte auf dem Gardenaccia-Hochplateau, in der wir übernachten werden, zu sehen. Und, gerade noch rechtzeitig vor dem Gewitter, das sich in den letzten Stunden mächtig zusammengebraut hat, können wir unsere Rucksäcke auf der Terrasse abstellen. Jetzt ein erfrischendes Getränk und die Mühen sind beinahe vergessen.

Wild und Waldbeeren

Wir verabschieden Andrea mit einem herzlichen „giulan“ – ladinisch für danke - für die tollen Eindrücke, die fordernde Wanderung und die anregenden Diskussionen. Den einstündigen Abstieg am nächsten Tag nach La Villa über steile, steinige Pfade, werden wir ohne seine Begleitung meistern müssen. Die Hüttenwirtin Verena Nagler verwöhnt uns am Abend mit Spezialitäten der ladinischen Küche. Nach hausgemachten Bandnudeln mit Wildsoße – das Fleisch stammt aus eigener Jagd - leckerer Polenta mit Pilzsoße mit Salsiccia und einem Nachtisch mit Waldbeeren geht es kurz nach Einbruch der Dunkelheit satt und erschöpft ins Bett. Ein traumhafter Tag.