Ein Freak mit alten Werten

Schorschi Schauf – eine Legende in der Paddlerszene

von Agathe Paglia

Wildwasser im Blut und eine Menge Pionier- und Revoluzzergeist unter der Doppel-Bommelmütze: das ist Schorschi Schauf. Sein Schwager hat ihn zum Bootfahren gebracht. Das war 1985. Damals war Georg Schauf, genannt Schorschi, bereits fünfzehn Jahre alt. Doch um Boot zu fahren, musste der Rheinhesse erst einmal schwimmen lernen. Gesagt, getan. Danach paddelte er zwei Jahre lang den Rhein rauf und runter, übte sich in Balance und Richtung halten – ohne Anleitung, ohne Trainer, ganz nach Gefühl. Bekanntschaft mit Wildwasser machte er erst mit der Volljährigkeit und dank seines ersten, eigenen Autos, einem VW Derby. „Den habe ich für vierhundert Mark auf dem Schrottplatz gekauft, auf dem Hof meiner Eltern in Guntersblum repariert und rot lackiert“, schwärmt der gelernte Elektroniker. Von da an fuhr Schorschi jedes zweite Wochenende nach Augsburg an den Eiskanal. Nachts schlief er wassernah im Derby, tagsüber trainierte, trainierte und trainierte er. Das tat er unter den Augen vieler guter Kanuten, die an dem künstlich angelegten Wildwasserkanal praktisch sesshaft waren. „Die haben sich bestimmt gedacht, was für ein Irrer – den brauchen wir im Team“,  erklärt sich Schorschi heute seine schnelle Akzeptanz.

Irre schnell dazugehört

Noch vor seinem 19. Geburtstag wurde er Teil der deutschen Freestyle-Nationalmannschaft und jüngstes Mitglied des Alpinen Kajak Clubs, dessen Präsident er von 2004 bis 2006 war. „Mag sein, dass ich auch deshalb so beliebt war, weil ich immer ein paar Flaschen Wein von zu Hause mitgebracht habe“, so der Winzerspross. Feiern sei genauso wichtig wie Bootfahren, denn Paddler seien eine große, lustige und hilfsbereite Familie, weiß Schauf. Über sie habe er die Strukturen des Verbands und die richtigen Leute im Kanusport kennengelernt, auch die Cracks. Jene Verrückten, die die extremen Routen befahren. Das habe ihm sofort gefallen. Doch dafür musste der heute 49-Jährige hart an sich arbeiten und in kurzer Zeit körperlich, vor allem aber mental extrem fit werden. 16 Jahre lang war Schorschi Mitglied der deutschen Nationalmannschaft. Einige Podestplätze erfuhr er sich bei den deutschen Kajak-Rodeo-Meisterschaften. International holte er 1999 den Vizetitel bei der Vorweltmeisterschaft in Neuseeland.

Husarenritt mit Folgen

Über Kanukreise hinaus bekannt wurde Schorschi vor allem durch seine Erstbefahrungen. Am 12. Januar 1997 bezwang er als Erster den Rheinfall bei Schaffhausen. Er befuhr die südliche Route mit einer Fallhöhe von 23,7 Metern. Das brachte ihm einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde ein, aber auch die Aufmerksamkeit der Behörden. Nach Schauf wurde polizeilich gefahndet. „Ich habe einen Fall geschaffen, der in behördlichen Vorschriften nicht vorgesehen war, die Zuständigkeiten der Kantone waren unklar“, erzählt er verschmitzt, „aber hätte ich mein Vorhaben angemeldet, wäre es mir sicher verboten worden.“ Das wollte Schauf auf keinen Fall riskieren. Die Befahrung des Rheinfalls sei damals für jeden Kanuten DAS Ding überhaupt gewesen, weiß er: „Jeder wollte es machen, aber keiner hatte die Eier, runterzupoltern.“ Die Geschichte weiß: Schorschi hatte die Eier. Und letztlich ging auch alles gut aus. So gut, dass er wieder in die Schweiz einreisen durfte und im extrem trockenen Sommer 2003 gemeinsam mit Kanu-Kumpel Frank Preuss die nördliche Route des Rheinfalls nachlegte.

Niemals Routine

Auf unbefahrenen Flüssen unbekanntes Terrain weltweit erschließen wurde zum Kick für Schauf. Sei es bei Kajakexpeditionen in Neuseeland, Guatemala oder Honduras, sei es bei Erstbefahrungen wie der der Deferegger Klamm in Osttirol, des Msymta im Kaukasus oder des Heiligen Flusses Rio Vilcabamba in Peru. Schorschi liebt es, weg vom Menschenstrom und bei den „Locals“ zu sein. Nie so recht zu wissen, was hinter der nächsten Flussbiegung wartet, ist sein Antrieb. Auch wenn man mal das 2,70 Meter lange und 0,65 Meter breite Boot schultern muss, um zum Einstieg zu gelangen. Doch weder Entdeckergeist noch das viele Adrenalin im Blut haben ihn je fahrlässig werden lassen. Respekt vor der Natur, Fokussierung auf das Vorhaben, eine gute Vorbereitung und volle Konzentration sind überlebenswichtig, weiß er: „Düse haben ist wichtig im Extremsport, sonst gehst du drauf – es darf nie Routine werden.“ Von der Kavallerie, wie er Medien oder Sponsoren nennt, hat sich Schorschi nie zu etwas drängen lassen. Er zeigt auch Eier beim Neinsagen.

Was noch auf der Wunschliste steht

Die Niagarafälle reizen den gebürtigen Frankenthaler dennoch. Hier würde er mehr als 60 Meter frei fallen. Der Weltrekord liegt bei 66 Meter, direkt von der Kante hinuntergestürzt. Schorschi schwebt eine Wasserfall-Befahrung vor, die deutlich schwieriger ist: „Du paddelst an, achtest auf Verwirbelungen, musst viel Wasser verdrängen, es gleichzeitig lesen und die Stelle ganz exakt ansteuern, an der du runter willst“, schwärmt er. Vermutlich hätte er es längst versucht, wenn die kanadischen Gesetzeshüter keine Schießerlaubnis hätten und nicht befugt wären, schon bei Vereitelung des Versuchs seine komplette Ausrüstung zu beschlagnahmen. Unvorstellbar für Schorschi, der sechs Kajaks besitzt, die er liebt: „Für jedes Wasser die passende Waffe“, sagt‘s und lacht. Früher hatte er diese Waffen immer dabei, auf dem Dach seines Wohnmobils, das er Ulla nannte. Geladen waren auch immer ein paar Kisten Red Bull seines Hauptsponsors von einst. Wertvolle Mitgift für jede Paddlerparty, aber fliegen konnte er auch ohne.

Vom Paddler zum Schneider

Nicht nur seine Erstbefahrungen, auch seine ungewöhnlichen Messeauftritte und die Erfindung der Doppel-Bommelmütze machten Schorschi zur Legende in der Kanuszene. Er fertigte sie aus Stoffmustern, als Abwechslung zum Trainingsalltag, und nutzte sie als Zahlungsmittel gegen „Bierchen“. Über kurz oder lang trugen Sportler von Russland bis Neuseeland Doppelbommel, gefertigt in Schorschis Ulla. „Einen besseren Vertriebsweg hätte ich mir nicht wünschen können“, sagt’s und lacht wieder. Mit den Mützen unter seinem Label „Young Pirates“ präsentierte er sich schnell auf Outdoormessen. Später entwickelte er seine erste Serie Funktionswäsche, wurde aber von einem Großkunden komplett leer gekauft, der insolvent ging, nie bezahlt, zuvor aber die komplette Ware nach Belgien geschafft hatte. „Das hat mich so ausgebremst und verärgert, dass ich erst wieder paddeln gehen musste“, erklärt Schauf seine längere Unternehmenspause. Doch nach drei Jahren belebte er das Business neu und suchte sich die passenden Partner zur Idee. Schorschi bringt das Expertenwissen im Outdoorbereich mit und seine Partner setzen die Produkte professionell um. Seine Costumized Outdoorwear wird in Deutschland gefertigt – wichtig für ihn – jedem Besteller sein Unikat zu handelsüblichen Preisen.

Von Mähdreschern und Muscabona

Seit 2014 macht er in Klamotten, wie er es nennt. Statt wie einst drei bis vier Stunden Bootfahren, danach „ein Bierchen und Mädels klarmachen“, pflegt er heute seinen  E-Mail-Account, Kontakte zu Sportlern und Händlern und die Ehe mit Barbara, mit der er seit 2010 glücklich verheiratet ist. Er paddelt nach wie vor 30 bis 40 Tage im Jahr, derzeit hauptsächlich in Slowenien. Von anstehenden Erstbefahrungen will er nichts erzählen. Dass er bereits eine Route im Auge hat, verraten seine beiden Blitzeblauen aber ziemlich deutlich. Keltern kann er auch noch. Gemeinsam mit seinem Bruder kultiviert er im elterlichen Gut einen lieblichen Muscabona. Die Rebe hatte der Vater den beiden Söhnen vererbt. Und hinter seinem eigenen Haus im fränkischen Leutenbach hat er sich einen kleinen Weinberg angelegt. Groß eingelagert wird sein Wein nicht. Es ist ein Federweißer, der jedes Jahr von gut 200 Leutenbachern bei einem Dorffest komplett getrunken wird. Natürlich nicht einfach so, sondern anlässlich eines Aufsitzrasenmäher-Rennens, das Schorschi ins Leben gerufen hat. Aktion verbunden mit kulinarischem Genuss, das liegt dem Wahlfranken. Auf die Frage, ob er denn schon wisse, was dereinst auf seinem Grabstein stehen solle, kontert er: „Hier ruht Schorschi, der sein Leben so genutzt hat, wie er es wollte, ohne jemanden zu bescheißen.“ Sagt’s und lacht.

Infos

Zur Person

Georg Schauf, genannt Schorschi, wurde am 18. Mai 1970 in Frankenthal geboren. Er ist als jüngstes von fünf Kindern in der rheinhessischen Gemeinde Guntersblum auf einem Weingut aufgewachsen.

 

Gewinnspiel

„Abenteuer Alpen“ verlost in Kooperation mit „Young Pirates“ ein individuell gefertigtes Hoodie oder Shirt des Labels. Teilnehmen wird jeder, der per E-Mail bis zum 15. Juli 2019, 12 Uhr, die Gewinnfrage richtig beantworten kann, im Betreff Gewinnspiel Schorschi Schauf und seinen vollständigen Namen samt Anschrift im Mailtext an abenteuer-alpen@szbz.de sendet. Die Redaktion lost den Gewinner oder die Gewinnerin aus der Summe aller Eingaben aus und informiert ihn oder sie schriftlich. Alles Weitere übernimmt das Label.
Gewinnfrage:
In welchem Jahr hat Schorschi Schauf den Rheinfall zum ersten Mal befahren?
Wichtig: Der Gewinn kann weder ausbezahlt noch übertragen werden.