Lawinenrucksäcke: Alles im Griff?

Der Markt wird immer vielfältiger / Interview mit Manuel Brenner von den Bergwerkern

von Steffen Müller

Akkusystem oder Kartuschen? Base-Unit oder geschlossene Systeme? Welche Technik empfiehlt sich bei Flugreisen? Manuel Brenner von den Bergwerkern im Stuttgarter Westen beschäftigt sich täglich mit dem Thema und gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Kartusche oder elektrisches Gebläse? Welches System bietet welche Vorteile?

Manuel Brenner: „Beide Systeme haben ihre Vorteile. Eine Kartusche ist unempfindlicher gegenüber Kälte, denn einem System mit Kartusche ist es völlig egal, wie kalt es ist. Ein elektrisches Gebläse basiert auf einem wiederaufladbaren Akkusystem. Diese Systeme haben sich in den letzten Jahren stark verbessert, eine absolute Resistenz gegenüber Kälte kann allerdings nie erzielt werden. Akkubetriebene Systeme haben aber den Vorteil, dass sie das Training mit dem Airbag deutlich vereinfachen.“

Was spricht für Rucksäcke mit Base-Unit und austauschbarem Aufsatz, was dagegen?

Manuel Brenner: „Rucksäcke mit Base-Unit sind grundsätzlich variabler, da sie an verschiedene Anforderungen angepasst werden. Wir finden allerdings in sich geschlossene Rucksacksysteme von der Passform deutlich besser. Von Ortovox gibt es inzwischen auch ein Modell, bei dem man die innere Aufteilung und Größe anpassen kann.“

Sollte man für Flugreisen grundsätzlich Modelle ohne Kartuschen wählen?

Manuel Brenner: „Nein, das kommt ganz auf die Airline und den Flughafen an. Inzwischen haben sich viele Airlines dem Thema angenommen und es gibt Möglichkeiten, auch mit Kartusche zu fliegen. Dafür muss die Fracht dann im Vorhinein angemeldet werden. Unser Tipp: Auf der Website der Airline informieren oder direkt bei der Airline über die Hotline nachfragen. Mit Modellen ohne Kartusche zu fliegen ist sicherlich einfacher, aber auch mit Kartusche gibt es inzwischen Mittel und Wege.“

Gibt es Situationen, bei denen der Airbag überflüssig ist - oder bei denen man ohne Airbag sogar sicherer unterwegs ist?

Manuel Brenner: „Grundsätzlich bietet ein Lawinenrucksack immer einen Mehrwert. Natürlich hat man etwas mehr Gewicht als mit einem normalen Rucksack auf dem Rücken, aber das stört im Normalfall kaum. Unsicherer ist man mit einem Lawinenrucksack nur dann unterwegs, wenn man sich zu sehr darauf verlässt, was man da auf dem Rücken hat. Oftmals können gefährliche Situationen durch richtige Bewertung der Bedingungen bereits im Vorhinein entschärft werden. Man sollte sich nur in Gelände begeben, das man entsprechend bewerten und die Risiken abschätzen kann – mit oder ohne Lawinenrucksack.“

Was wird im Umgang mit den Airbags häufig falsch gemacht?

Manuel Brenner: „Oftmals wird der Umgang mit dem Airbag unterschätzt. Im Auto löst ein Airbag automatisch aus, am Berg nicht. Deshalb sollte man vor jeder Saison eine Testauslösung mit seiner Ausrüstung durchführen. Hier zeigt sich ein Vorteil der elektrischen Systeme: Man kann mit dem Lawinenrucksack üben, ohne danach die Kartuschen tauschen zu müssen. Ein Lawinenairbag muss richtig angewendet werden, um die Verschüttungsgefahr zu verringern. Deshalb muss der Einsatz geübt und sich auf den Ernstfall vorbereitet werden.“

Ein Lawinenrucksack ersetzt keine klassische Ausrüstung mit LVS-Gerät, Schaufel und Sonde – und vor allem nicht den sicheren Umgang damit. Sind sich dessen alle Wintersportler bewusst oder müsst ihr häufig Aufklärungsarbeit leisten?

Manuel Brenner: „Viele sind sich den Gefahren und der notwendigen Ausrüstung über einen Lawinenrucksack hinaus durchaus bewusst. Aber auch hier gilt: Der Umgang mit LVS-Gerät, Schaufel und Sonde sollte unbedingt geübt und das Material auf Funktion überprüft werden. Darüber hinaus beobachten wir immer öfter, dass sich Träger eines Lawinenrucksacks überschätzen. Mache denken, sie haben ja jetzt einen Lawinenrucksack, da kann ihnen ja nichts weiter passieren. Ein Lawinenrucksack verhindert keine Verschüttung, er minimiert lediglich bei korrektem Gebrauch die Verschüttungstiefe. Wer eine Abfahrt nur fährt, weil er sich jetzt durch seinen Lawinenrucksack sicher fühlt, sollte es lieber lassen. Die Situation, in der ein Airbag ausgelöst werden muss, ist meistens eine Extremsituation, in der Fehler passieren können. Deshalb sollte ein Lawinenrucksack niemals als Lebensversicherung angesehen werden, sondern vielmehr als zusätzliches Tool welches gemeinsam mit LVS-Gerät, Schaufel und Sonde die Überlebenschance erhöhen kann.“

Infos

ZUr Person:

Der 33-jährige Manuel Brenner aus Stuttgart ist Geschäftsführer bei den Bergwerkern in Stuttgart. Er ist selbst leidenschaftlicher Freerider und Skitourengeher.

www.bergwerker.de